Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 14: Friede sei mit euch!

Man soll ja aufhören, wenn’s am Schönsten ist. Da halte ich aber nix von, darum gibt es jetzt noch eine letzte Rollenspielkolumne aus der grauen Vorzeit obendrauf. Aber danach ist dann Schluss, dieser Flügel des Archivs ist geplündert. Aber wer weiß, wenn ihr genug Likes zusammentreibt, schreibe ich vielleicht mal was Neues 😉

Der Rollenspieler an sich ist friedfertig. Eine Aura des Sanftmuts umgibt ihn und aus seinen Augen fließt Glückseligkeit. Rollenspieler gegen Rechts und Würfel statt Waffen – finden wir uns damit ab: Wir Rollenspieler sind die Ghandis von heute. Die Mütter Theresa der religionsfreien Gemeinde, die Martin Luther Kings der Völkerverständigung am Spieltisch!

Zumindest solange, bis das Spiel beginnt. Dann spielen sich Szenen wie die folgende ab (zugegebenermaßen nicht in meiner Gruppe – das muss ich hier erwähnen, weil einige meiner Spieler das hier lesen. Und die sind so was von gewaltbereit!):

„Eine Horde Räuber stürzt sich auf Euch!“

„Aaaah! Töten, zermalmen, zerstören, killen, metzeln!“

Nach einigen Kampfrunden, über deren exzessive Gewalt wir den Vorhang der FSK legen:

„Die Diebe lassen die Waffen fallen. Einige fliehen und ein paar ergeben sich!“

„Wie jetzt?“

„Naja – sie geben auf!“

„Aber warum?“

„Ihr habt die Hälfte von Ihnen hingeschlachtet! Und der Rest ist verletzt!“

„Ja und dann hören die auf? Ich wollt aber doch noch kämpfen! Grad jetzt, wo ich warm geworden bin. Was soll denn so was?“

„Äh, aber … Realismus …“

„Ach, Schnick-schnack Realismus! Ich will Blut! Bluuuut!“

„Aber … die haben doch Angst und Familie…“

„Du bist doch Spielleiter, oder? Ändere das! Nimm ihnen ihre Familie, verpass ihnen Mutzauber … egal: aber mach was!“

Spätestens jetzt sitzt der Spieler mit einer abgebrochenen Colaflasche auf dem Schoß des Spielleiters – und wer die unkaputtbaren Plastikflaschen kennt, der weiß, wie viel Energie der Spieler dafür investiert haben muss.

Aber was hat der arme Kellermeister (Dungeonmaster) auch erwartet? Hat er nicht selber mitangesehen, wie seine Spieler sich auf dem letzten Markt mit allem eingedeckt haben, was scharfe Stellen hat? Hat er nicht die Berge an Dolchen, Schwertern, Messern, Zweihändern, Armbrüsten, Katapulten, Streitwagen, Balistas, Kriegsschiffen und bluttrinkenden Pferden selber verkauft, die dann in den Tiefen der „Allespaßt“-Rucksäcken verschwanden, um an genau der Stelle des Abenteuers hervorgeholt zu werden, an der steht: „Nachdem die Spieler eingesehen haben, dass sie gegen eine solche Übermacht nicht bestehen können“ oder „Da jedem offensichtlich sein muss, dass Gewalt hier nicht weiterhilft“.

Und da wundern sich die Leute, wenn ihr Spielleiter Alpträume kriegt.