Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 3: Auf zum heiteren Drogenmissbrauch

Wir schreiben das Jahr 2001 und die Spaßbremse Wiesler schwingt sich zum Moralapostel auf:

Ich möchte heute mit der grabesschweren Stimme eines Autors, der weder trinkt noch raucht, auf eine zunehmende Unsitte in der weiten Welt des Rollenspiels hinweisen. Da sitzen junge Burschen beisammen, bei denen sich unter der Nase, ja vielleicht sogar unter dem Gürtel noch nicht der erste Flaum zeigt, Kinder, wenn man es fürsorglich ausdrücken möchte. Sie sitzen beisammen, auf den ersten Blick vereint im kommunikativ und sozial fördernden Rollenspiel – oh unschuldige Spiele der Jugend. Doch dann offenbart sich das Laster in all seinen Untiefen!

Der Krieger besäuft sich, der Zwerg pafft Knaster, der Dieb schluckt Rauschbeeren. Diese Jugendlichen, deren jungfräulichen Geschmacksknospen (hoffentlich) noch nicht vom Rauch einer Zigarette geschändet oder vom profanen Beigeschmack des Im-Unterhemd-auf-Couch-und-arbeitslos jeden Bieres beleidigt wurden, haben nichts Eiligeres zu tun, als sich bei jeder Rast in den Schilderungen ihrer Drogen-Exzesse zu übertreffen. Kein Jäger Cthulhus ohne Kippe im Hals, kein Werwolf ohne Haschpfeife, kein Runner ohne Heroinspritze.

Aber gut – lassen wir die Zweifelhaftigkeit der Situation außer acht, um nicht Wasser auf die Mühlen erzkatholischer Rollenspielhasser zu gießen. Wenden wir uns den rollenspielerischen Folgen zu.

Da liegen sie also nun um das Lagerfeuer, die tapferen Junkies. Der Krieger besoffen, der Zwerg bekifft und der Dieb stoned. Plötzlich bricht eine Horde Orks aus den Gebüschen und versucht ihrem Tagewerk nachzugehen, was in diesem Fall bedeuten würde, die Helden aufzuschlitzen und mit ihrer Ausrüstung zu entschwinden – von irgendwas muss man ja leben.

Die Spieler überschlagen sich, jeder will der erste sein, der zum Morden antritt. Betrunken? Ach was, doch nicht von den paar Bier. Bekifft? Das war doch nur normaler Tabak! Stoned? Von Preiselbeeren?

Wie von Götterhand sollen sich die diversen Nervengifte aufgelöst haben, ihr Einfluss abgeglitten sein wie Hautcreme von der Haut eines Zwergen. Wenn das im wirklichen Leben mal so einfach wäre.

„Was, Herr Wachtmeister? Getrunken? Ich? Aber Herr Oberkriminalkomissar, ich doch nicht! Moment, Herr Polizeipräsident, ich muss nur mal schnell meine Orks aus dem Kofferraum holen!“

Aber selbst wenn kein Schreck die Helden ernüchtert, so wollen die Spieler doch auch am nächsten Morgen nicht mit Dingen wie Kopfweh oder Übelkeit geplagt werden. Wozu hat man schließlich wertvolle Steigerungen auf den Wert Zechen verschwendet? Doch nur, um vom Spielleiter endlich mit solchen Nichtigkeiten verschont zu werden!

In Anlehnung an ein bekanntes Zitat, möchte ich schließen mit: Nicht Drogen bringen Menschen um, sondern… ähm… sondern zu viele Drogen!