Rezension: Die zerbrochene Puppe

Mein Ausflüge in den Steampunk als Leser sind bisher nicht allzu vielzählig gewesen, was unter anderem damit zusammenhing, dass die wenigen Werke, für die ich mir Zeit genommen hatte, entweder twilighteske Zuckerromanzen mit ein paar eingestreuten Zahnrädern, moralinsaure Technokritiken oder schlichtweg „08/15, aber jetzt mit Luftschiffen“ waren. Das Buch, dass mir aus dem Genre bisher am besten gefallen hat, war Das mechanische Herz, das ich hier besprochen habe.

Ich bin sicher, es gibt sehr viele Beispiele von Steampunkromanen, die auch mir gefalllen würden, aber die sind mir eben bisher noch nicht untergekommen. Die zerbrochene Puppe hatte den unfairen Vorteil, dass sie von einer Kollegin, die ich sehr schätze, und ihrem Mann, den ich ebenfalls sehr schätze, aber nicht ganz so attraktiv finde, geschrieben wurde: Judith C. und Christian Vogt zeichnen für diesen Roman verantwortlich.

Und was soll ich sagen: Ich habe einen neuen Liebling in Sachen Steampunk. Judith und Christian schaffen es, eine originelle Geschichte über einen Künstler zu erzählen, der im Schatten seiner genialen Frau steht. Diese Frau schickt sich an, nicht weniger zu schaffen, als die Geschichte der Stromerzeugung zu revolutionieren. Entsprechend gefragt ist sie in den Industriellen-Kreisen des 19. Jahrhunderts. Eines frostigen 19. Jahrhunderts übrigens, das mit dem uns bekannten wenig gemein hat, wie es sich für Steampunk gehört.

Die Vogts ziehen aber mit ihrer alternativen Historie ganz neue Register, denn wer hätte bislang von friesischen Luftschiffpiraten oder Städten auf Eisbergen an norwegischen Küsten gehört? Ich will über den Inhalt nicht zuviel verraten, aber das überaus begabte Autorenpaar schafft es, eine sympatische Hauptfigur auf natürlich scheinende Weise über sich hinauswachsen zu lassen, der Humor und sogar die Erotik kommen nicht zu kurz und es gibt Luftschiffkampfszenen, bei denen sich Rocketeer mehr als eine Scheibe abschneiden könnte.

Eine spannende, phantastische Geschichte mit Automaten, Aristokratie und aberwitzigen Aeronauten. Kaufen, lesen, noch ein paar mal kaufen, zu Weihnachten verschenken lautet meine Empfehlung!

Und ja, ich weiß, ich finde bisher jedes Buch von Judith toll, das ich lese. Was soll ich machen? Sie schreibt halt einfach keine schlechten Bücher …

Hier noch der Klappentext, lasst euch von den seltsamen Schriftzeichen nicht abhalten …

Die Physikerin Æmelie von Erlenhofen stellt auf einer Konferenz in Venedig den Prototypen einer Brennstoffzelle vor. Kurz darauf dringen wandelnde Tote in ihre Unterkunft ein und töten die Wissenschaftlerin, der es gerade noch gelingt, ihrem Mann Naðan die Flucht zu ermöglichen. Das Letzte, was sie ihm mit auf den Weg gibt, ist ihre alte Porzellanpuppe, die von nun an Naðans beste Freundin wird, da sie mit der Stimme seiner verstorbenen Frau spricht. Die sterblichen Überreste Æmelies indes verschleppen die wandelnden Kadaver.
Die Polizei kann der Spur bis nach Æsta, einer schwimmenden Stadt auf einem Eisberg, folgen, wo sie sich verliert. Naðan beschließt, weiter nach Æmelies Leiche zu suchen. Mittellos fahndet er zwischen Gewerkschaftlern, Huren und Opiumsüchtigen nach dem Täter.
Eine Odyssee beginnt, in deren Verlauf Naðan zahlreiche Irrungen und Wirrungen durchleben muss, ehe er einem schrecklichen Geheimnis auf die Schliche kommt.