Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 5: Der Rollenspieler an sich, oder: Packzeuch, allsamt!

Und noch mal grabe ich tief im Archiv und lege mich schief um aus dem Mief was zu ziehen, das vor Altertum trief … t. Yo! Man merkt aus der Referenz auf pupertäre Rollenspieler, wie alt der Text ist.

Rollenspieler zeichnen sich durch Kreatvität, Phantasie, Kommunikationsfähigkeit, Gewaltlosigkeit im wirklichen Leben und Kontaktfreudigkeit aus. Außerdem sind sie gutaussehend, potent, intelligent und spenden Blut, Samen und was sonst noch so an verzichtbaren körpereigenen Dingen gebraucht wird. Sagen die Rollenspieler.

Rollenspieler sind pickelverzierte, gewaltbereite Drogensüchtige, die vom vielen Sitzen übergewichtig geworden sind und vor dem Druck ihrer verkorksten Wirklichkeit in eine Traumwelt flüchten. Sagen die Rollenspielhasser.

Recht haben, so schmerzlich es ist, beide ein wenig! Wer kennt sie nicht, die jungen Burschen und seltener Mädel, die sich bei einem Con unter Vortäuschung falscher Tatsachen in die Gruppe geschlichen haben. Das viele von ihnen pickelverziert sind, mag – gerechterweise sei es erwähnt – an der Pubertät liegen, und der Umkehrschluss, dass Pickel einen schlechten Rollenspieler erkennen lassen, ist unzulässig!

Da sitzen sie nun, unverrückbar, und ziehen das Spielniveau herunter wie Betonschuhe einen erfolglosen Mafiosi.

„Was willst‘n spiel‘n?“ fragt der Spielleiter, sich der Zeitbombe des würfeldominierten Spielens in seiner Nähe noch nicht bewusst. Wenn er sich bemüht, klar und hochdeutsch zu sprechen, fragt er möglicherweise sogar: „Was möchtest du denn spielen?“

„Kämpfer!“ kommt es zurück. Man bemerke die geschickte Einsparung des Artikels, die der Aussage noch mehr Gewicht gibt. (Es gibt natürlich auch diejenigen, die an dieser Stelle: „Magier“, „Dieb“, oder „Elf“ grunzen. Möglichst noch von gegensätzlichem Geschlecht des Spielers.)

„Äh… ja. Was spielst du denn sonst noch so?“

„Bei DSA’n Krieger, bei Star Wars’n Kopfgeldjäger, bei Shadowrun’n Street Samurai, bei D’un’D’n Chaoskrieger, bei PP&P’n Killerkrokodil, bei…“

„Ja, danke!“

Da hat man also wieder einen sitzen (einen Spieler – das andere kommt aus Verzweiflung nach dem Spiel). So einen Kerl, dessen Charaktere sich nur in der Art ihrer Massenvernichtungswaffen (oder Sprüche, oder Einbruchswerkzeug, oder Bogengröße) unterscheiden und vielleicht noch verschiedene Namen haben – aber das letzte ist nicht sicher! Ich hatte schon Spieler, bei denen alle Charaktere „Ulfgart“ oder „Blade“ hießen!

Und man kriegt den nicht wieder weg! Ich habe schon alles versucht!

Auf die Sanfte: „Du, nimm dir mal einen Keks. Das fällt mir jetzt echt schwer, dir das zu sagen, ne, aber ich finde irgendwie, dass du nicht so richtig mit der Gruppe harmonisierst, du!“

Auf die Gemeine: „Du bist hässlich, stinkst, und spielst beschissen!“

Auf die Brachiale: „Verpiss dich, ich will nicht, dass du mitspielst!“

Oder auf die Hinterhältige: „Tja, da trifft dich ein Schuss aus dem Hinterhalt *klapper, klapper* Oh nein, so ein Pech! Du bist Tod!“

Hat alles keinen Zweck. In ihrer Gier, Spielgruppen zu ruinieren, ignorieren sie jeden Angriff und verweigern die Annahme jeder Vernunft. Und natürlich haben sie mehrere (praktisch identische) Charaktere des Spielsystems dabei.

Man fügt sich also, immerhin hat man ja nun schon eine Stunde darauf verschwendet, den Kerl zu schlagen, zu beschimpfen und in einer hastig verordneten Essenspause den Tisch zu wechseln, ohne ihm Bescheid zu geben, aber auch ohne das es etwas genutzt hätte. Sie kommen immer wieder!

Man spielt also. Es baut sich Stimmung auf, weil man in jahrelanger Erfahrung gelernt hat, solche Typen nicht an die Reihe kommen zu lassen, aber dann sieht man ihn da sitzen. Blutunterlaufene Augen starren einen flehend an, der Eiter auf den Pickeln scheint vor Vorfreude zu blubbern und ein Speichelfaden tropft vom Mundwinkel in die Kaffeetasse. Und – verflucht seiest du, oh schwaches Herz – man empfindet Mitleid. Man macht sich daran, ihm eine Szene zu bauen, in der sogar sein flacher Charakter einen Aufritt haben kann. In meinem Fall – und auch wenn ich es in dieser Kolumne mit der Wahrheit manchmal vielleicht nicht ganz so genau nehme, schwöre ich: so hat es sich wirklich zugetragen – war es wie folgt: Schurken, 10 an der Zahl, bereit, sich auf die Gruppe zu stürzen, umringen sie. Der Krieger, wie erwartet, springt vor und verkündet: „Ich schüchtere sie ein!“

„Beschreib, was du machst!“ rufe ich begeistert.

Es ward Schweigen – lange Zeit. Dann: „Kann ich nicht lieber würfeln?“

Manchmal weine ich mich wegen dieser Szene heute noch in den Schlaf.