Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 6: Der Würfel ist rund und ein Spielabend dauert 9 Stunden

Ihr kennt die Masche: Ich war mal wieder zu faul, was Neues zu schreiben und präsentiere euch darum olle Kamellen aus dem Jahr 2001.

Eine seltsame Überschrift, nicht wahr? Sie weist in der mir eigenen subtilen und einfühlsamen Art darauf hin, dass gewisse Rollenspieler in der Ausübung ihres Hobbys eine auffällige Ähnlichkeit mit Fußballfans zeigen. Damit meine ich nicht das begierige Starren auf einen rollenden runden Gegenstand, ich beziehe mich auch nicht auf den Hooligan-artigen Überfall des Gourmetrestaurants mit den zwei goldenen Bögen. Es geht mir eher um die passive Form des Rollenspiels. Aber dazu muss ich etwas weiter ausholen. Stellen wir uns ein typisches deutsches Wohnzimmer vor: Eiche-Brutal-Möbel, eine gehäkelte Tischdecke räkelt sich auf, eine in Bronze gegossene Nackerte unter der getönten Glastischplatte. Der Fernseher läuft – eine Fußballübertragung. Und auf der Couch ein liebenswerter, stark übergewichtiger Mann im mittleren Alkoholisierungszustand. Und jetzt ruft er. Er, der keine drei Meter ohne Herzinfarkt laufen könnte, er, der zwar manchmal für einen Fußball gehalten wird, aber seit Jahrzehnten keinen mehr getreten hat, er, der eine Feinmotorik hat, die schon an der Kindersicherung einer Medizinflasche scheitert. Er ruft: „Lauuuuuf doch! Oh Mann! Gib doch ab, du Pfeife! Das kann ich ja besser!“

Und damit sind wir bei der Art Rollenspieler, über die ich heute einige Worte verlieren möchte: die konsumierenden Nörgler. Ich stelle sie mir gerne als kleine, fahlhäutige, buckeltragende Dachkammerbewohner vor, aber blicken wir der hässlichen Wahrheit ins nackte Gesicht: Sie sind unter uns. Der normal erscheinende Heavy Metall-Freak mit seinen 36 Piercings könnte es sein. Auch der bebrillte, dickliche Typ ist nicht sicher vor der Verdächtigung zu dieser Gruppe zu gehören. Ja sogar der blasse Computerfachmann im gestreiften Hemd.

Sie sind es, die vor dem Rechner oder im Sessel sitzen, sich Newsletter, Fanzine oder Zeitschrift vornehmen. Da sitzen sie, und rufen: „Nu schreiiiib doch! Oh Mann! Mach doch mal ne Überleitung! Das kann ich ja besser!“

Oft habe ich einen solchen Kerl schon gepackt und geschüttelt und von ihm verlangt, dann solle er’s doch besser schreiben! Aber auch nach Daumenschrauben und dem Hexenbock sind sie nicht bereit dazu. „Ich weiß, dass ich’s besser könnte – ich brauch es nicht zu beweisen!“ oder „Man muss keine Kuh sein, um zu wissen, wann Milch schlecht ist!“ höre ich dann. Das letzte mag stimmen – aber man muss ein Esel sein, wenn man sie trotzdem trinkt.

Damit nun aber nicht der Eindruck entsteht, ich wäre nachtragend oder gar – Gott behüte – griesgrämig, möchte ich an dieser Stelle dem Papst vorgreifen und euch, all meinen Nörglern, die Generalabsolution erteilen. Es ist ja nicht eure Schuld, dass ihr handlungsunfähig seid. Was könnt ihr dafür, dass ihr konstruktive Kritik im Lexikon nachschlagen müsstet und dabei nicht mal den Buchstaben findet. Man kann es nicht mal euren Eltern ankreiden, dass ihr „aber zackig“ und „gefälligst“ für höfliche Anreden haltet. Kurzum: Ihr könnt ja nichts dafür – jetzt weint mal nicht!

All jenen aber, die in der Lage sind, zusammenhängende Sätze zu formulieren, sei es mit der symbolischen Eisenstange in den Kopf gehämmert: An der Stelle, die der von euch gehasste Artikel einnimmt, hätte ein Besserer stehen können, wenn ihr endlich die Hände aus der Unterhose nehmen und einen schreiben würdet! Also: keine Entschuldigung mehr! Das nächste mal, wenn ihr denkt: „Das kann ich besser!“, dann macht es! Und tröstet euch: Es wird trotzdem immer wieder jemanden geben, der dann an eurem Artikel rumnörgelt!