Schreibtipp – Dialoge 5: Schreibübungen

Wie immer lernt man das Schreiben am besten durch’s Schreiben. So auch bei den Dialogen. Folgende Schreibübungen finde ich sehr lohnenswert, wenn man gezielt an der eigenen Fähigkeit feilen möchte, Dialoge flüssig und realistisch zu verfassen:

1) Tipp, du bist!

Sucht euch einen Partner, mit dem ihr diese Übung zusammen macht (das geht auch hervorragend per E-Mail). Die Aufgabe ist es, einen schriftlichen Dialog zu führen, so, wie er später auch in einem Buch stehen könnte. Also ohne Smileys usw. Das Thema kann frei gewählt werden. Wichtig ist, dass nicht während des Schreibens über das Schreiben diskutiert werden darf. Erst wenn der Dialog beendet ist (oder ihr ein paar Seiten zusammen habt), schaut ihr euch die Sache gemeinsam an und besprecht sie.

In der Ausbaustufe schreibt ihr den Dialog nicht als ihr selbst, sondern entwickelt im Vorfeld eine Figur, aus deren Sicht ihr den Dialog führt.

2) Bäumchen wechsel dich

Schreibt eine Dialogszene zwischen euch und einer eurer Figuren zu einem Thema, das dieser Figur gemäß eurer Konzeption wichtig ist. Setzt euch hierbei ein Zeit- oder Zeilenlimit. Danach schreibt ihr den Dialog erneut, mit dem gleichen Thema, aber diesmal unterhalten sich zwei Figuren miteinander.

Auf diese Weise kann man zum einen einen genaueren Begriff von den eigenen Figuren bekommen, wie sie „ticken“; zum anderen übt es die Fähigkeit, in den verschiedenen Stimmen der Figuren zu schreiben.

Soweit zum Themenblock „Dialoge“. Und im nächsten Schreibtipp machen wir dann die Pandorabüchse der Szenengestaltung auf.

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Diese und andere Themen behandele ich übrigens auch im Januar in meinem Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“

 

Schreibtipp – Dialoge 4: Von der Schwierigkeit, einen Dialog echt klingen zu lassen

„Ein Dialog sollte wie ein echtes Gespräch klingen“, ist eine häufige Forderung, der sich AutorInnen gegenüberstehen. Tatsächlich? Aber gern:

Pizza bestellen – in echt

„Guten Tag … äh … ich hätte gerne einmal die … haben Sie auch Eis?“

„Ja, haben … haben wir.“

„Ja, äh, dann hätte ich gerne … also einmal die … Dreiund … Dreiundzwanzig und … mit Eis, also, äh, das hat keine … ich glaube das hat keine Nummer.“

Was niedergeschrieben grenzdebil wirkt, ist ein normales Gespräch. Wenn man sich selbst oder anderen einmal wirklich zuhört, wird man sich der Masse der Füllwörter oder Fülllaute und unvollendeten Sätzen schnell gewahr. Im Gespräch werden diese jedoch einfach überhört – unser Gehirn ist daran gewöhnt, dass wir uns beim freien Sprechen einen zurechtstammeln und filtert die relevanten Sachen raus.

Diese Filterfunktion greift aber beim Lesen nicht, da wir jedes Wort wahrgenommen. Ein guter geschriebener Dialog muss also so aussehen, wie ein vom Gehirn bereinigtes Gespräch sich anhören würde. Er soll natürlich sein, ist es aber schon per Definition nicht. Ich spreche darum lieber von einem realistisch wirkenden Dialog.

Pizza bestellen – im Buch

„Guten Tag, Ich hätte gerne etwas bestellt. Haben Sie auch Eis?“

„Ja, haben wir.“

„Dann hätte ich gerne einmal die Dreiundzwanzig. Und Eis. Ich sehe gerade, das hat gar keine Nummer?“

So könnte ein realistisch wirkender Dialog aussehen. Selbstverständlich gibt es wenige mögliche Szenen, in denen solche Belanglosigkeiten wirklich die Berechtigung haben, in einer Szene drinzustehen (immerhin sind wir nicht in einem Tarantino-Film, wo das Schwachfug-Geblubber zum Stilmittel erhoben wird, um mal in einem Nebensatz ein bisschen Shitstorm-Potenzial zu entfesseln 😉 Alien 4 hat es in meiner Welt übrigens auch nie gegeben, so wenig wie Highlander 2-4).

Wie macht man ihn realistisch?

Wie ein guter Dialog aussehen kann oder muss, ist immer auch eine Geschmacksfrage. Indirekte Rede („Er sagte dem Verkäufer, dass er eine Dreizunszwanzig wolle und dazu ein Eis“) beispielsweise ist das Gegenteil eines realistischen Dialogs, kann aber ein lohnendes Stilmittel sein.

Was zudem bei der einen Figur unnatürlich und verstiegen wirkt, kann bei einer anderen die „normale“ Redeform sein (siehe dazu auch Teil 3 der Dialogtipps)

Wie erreicht man nun aber, dass etwas realistisch klingt? Die beste Methode, die ich für mich bisher gefunden habe, ist schlichtweg das laute Vorlesen der Dialoge. Besser noch das laute Vorlesen lassen durch eine(n) Dritte(n) oder mit verteilten Rollen. Dann fällt euch sehr schnell auf, wenn etwas hölzern klingt, Sätze zu komplex sind oder die Aussagen nicht zu der Figur passen.

Im nächsten Teil stelle ich euch dann Schreibübungen zum Thema Dialog vor.

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Diese und andere Themen behandele ich übrigens auch im Januar in meinem Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“

Schreibtipp – Dialoge 3: Vier Methoden, um Figuren in einem Dialog wiedererkennbar zu machen

Im zweiten Teil meiner Schreibtipps sprach ich davon, dass jede Figur in einem Dialog eine eigene Stimme haben sollte. Damit meinte ich natürlich nicht, dass ihr Dinge schreiben sollt wie:

„Guten Tag“, sagte er mit hoher Stimme.

„Hallo“, antwortete sie basstief.

Ziel der eigenen Stimme soll sein, dass ihr euch im Idealfall das „sagte er/sagte sie“ sparen könnt, weil der Leser die Figuren auch im nackten Dialog an der Art, wie sie sprechen, erkennen kann. Um das zu erreichen, kann man unter anderem auf die folgenden Methoden zurückgreifen, die auch kombiniert werden können.

1) Satzlänge

Einen sehr offensichtlichen Unterschied zwischen den Figuren kann man über ihre Satzlänge definieren.

„Ich bin in die Garage gegangen. Da stand mein Auto. Ich bin eingestiegen und habe es angemacht. Plötzlich hat der Motor so komisch gerattert.“

„Ich bin in die Garage gegangen, wo mein Auto stand, in das ich eingestiegen bin. Als ich es angemacht habe, hat der Motor so komisch gerattert.“

Dieselbe Aussage, liest sich aber deutlich unterschiedlich, dabei benutzen beide Sprecher den gleichen Wortschatz (siehe unten). In der allgemeinen Wahrnehmung stehen kurze Sätze dabei meist für ein geringeres Bildungsniveau des Sprechers. Für kleinere Kinder passt diese Satzlänge ebenfalls.

2) Wortschatz/Formulierungen

Die Größe und Beschaffenheit des Wortschatzes einer Figur kann ebenfalls hervorragend dazu dienen, sie zu charakterisieren und ihre Stimme eindeutig zu machen. Wie viele Fremdwörter nutzt sie? Wie umständlich drückt sie etwas aus? Benutzt sie den Genitiv? Die richtigen Artikel?

„Ich hätte gerne noch einen Kaffee, wenn es nichts ausmacht. Mit Sahne, bitte. Danke.“

„Wenn es conveniert, wäre ich über die Möglichkeit sehr erfreut, noch einen Kaffee zu genießen. Mit Sahne, bitte. Merci.“

Auch der Grad der Wortschatzbeherrschung kann interessant werden. Wenn eine Figur viele Fremdwörter benutzt, aber immer im falschen Zusammenhang, charakterisiert sie das sehr stark. Ich habe der Figur Simmons aus dem Roman Shelley beispielsweise die Neigung angedichtet, Redewendungen zu massakrieren. „Quietsch-Popo“ statt „Quid pro quo.“ Damit wirkt die Figur ungebildet, aber durch das, was sie sagt, nicht dumm (und es ist für das eine oder andere amüsante Missverständnis gut).

3) Sprachliche Ticks

Wenn man einmal bei sich und bei anderen darauf achtet, fällt schnell auf, dass  Menschen Lieblingswörter oder Fomulierungen haben. Ein Bekannter von mir setzt, wenn er nervös oder verärgert ist, nach jeden Satz „Sag ich mal“, manchmal auch mitten in den Satz:

„Wenn ich in der Disko bin, sag ich mal, und mich macht einer dumm an, dann guck ich einfach böse, sag ich mal. Dann haut der aber ab, sag ich mal.“

Andere beginnen oder beenden Sätze mit einem unmotivierten „Ja“ oder „Nein“,  streuen Füllwörter (jedenfalls, nämlich, Alter, isch schwöre) ein oder relativieren alles (eigentlich, möglicherweise). All das ist gut nutzbar, aber vorsicht: Wenn man es übertreibt, kann es den Leser schnell nerven. Das gilt auch für Sprachfehler (Kirsche/Kirche, Fich/Fisch, Drottel/Trottel, Lispeln, Stottern).

4) Akzente/Dialekte

In Audio- und Videoformaten sind Akzente und Dialekte ein wunderbares Stilmittel. Wenn ich auf der Bühne echte oder erfundene Anekdoten von meiner Mutter vortrage, dann bekommt sie immer einen fetten rheinischen Dialekt. Den kann ich gut und er passt zu dem, was ich meiner Mutter anzudichten pflege. Dabei spricht meine Mutter in Wirklichkeit ein sehr gutes Hochdeutsch und ist zudem aus dem Bergischen.

Schriftlich sind Akzente und Dialekte oft schwierig, weil der Leser wissen muss, wie sie klingen, um sie „im Ohr“ zu haben. Zudem neigt man schnell dazu, sie lautmalerisch wiederzugeben, was das Verständnis der Aussage stören kann:

„Hörens, Puppekopp, isch klatsch dä gleesch änn“

Der mit dem Rheinischen vertraute versteht hier gleich, dass die Androhung einer Ohrfeige gemeint ist. Der gemeine Hamburger wird sich damit eher schwer tun.Zudem sollte man sichergehen, dass man die Mundart auch wirklich beherrscht. Ich habe beispielsweise grad keine Ahnung, ob der oben geformte rheinische Satz wirklich so gesagt würde. Wenn man hier akkurat sein möchte, sollte man wie bei Fremdsprachen jemanden fragen, der sich damit auskennt.

Das rechte Maß ist also auch hier entscheidend. Meist läuft es bei der Abbildung der Dialekte und Akzente weitgehend auf den Wortschatz hinaus. Jemand, der „Kölsch“ sagt, ist ebenso eindeutig zuordnenbar wie „Waterkant“ oder „Semmel“.

Grundsätzliches:

Zum einen muss die Art zu sprechen natürlich zur Figur passen. Ein Hochschulprofessor, der seine Studenten in Asisprech fertig macht, passt nicht so hundertprozentig. Kann man natürlich trotzdem machen, aber dann hat man einen Bruch in der Figur, der sie komisch erscheinen lässt. Wenn das euer Ziel ist, nichts wie ran an die Gossenkiste. Wenn der Professor aber glaubhaft rüberkommen soll, ist das eher nix.

Zum zweiten muss man gerade bei Sprachbesonderheiten vorsichtig sein, es nicht zu übertreiben. Wenn alle irgendwie besonders oder dialektgefärbt reden, erinnert euer Dialog dann schlussendlich eher an einen Witz: „Ein Bayer, ein Sachse und ein Stotterer kommen in eine Bar.“

Weniger ist hier also oft mehr. Meine Daumenregel ist: So wenig wie möglich, aber genug, damit der Leser die Figuren zuordnen kann.

Im nächsten Schreibtipp verrate ich dann, wie man sicherstellt, dass ein Dialog natürlich klingt.

Alle Schreibtipps findet ihr hier. Diese und andere Themen behandele ich übrigens auch im Januar in meinem Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“

Schreibtipp – Dialoge 2: Eindeutige Stimme

Ist euch auch schon passiert, dass ihr ein Buch lest und plötzlich mitten im Dialog bemerkt, dass ihr keine Ahnung mehr habt, wer da was sagt? Dann habt ihr entweder bereits einen vorweihnachtlichen Glühwein zu viel intus, oder der Autor des Buchs hat beim Dialog geschlampt.

Viel häufiger noch als fehlende Zuordnungen („sagte er/sagte sie“, wir sprachen gestern schon davon) ist daran die fehlende eigene Stimme der Figuren schuld. Ein schönes Negativbeispiel dafür sind die zahlreichen Heftromanserien. Bis auf wenige rühmliche Ausnahmen klingen darin alle Figuren völlig gleich. Egal ob Prof. Dr. Segensreich oder Olga, die Reinigungsfachfrau – sie alle benutzen das gleiche Vokabular, die gleiche Satzstruktur und die gleichen Formulierungen. Und wenn man den Verfasser des Textes trifft, spricht er exakt so wie alle seine Figuren.

Auf diese Weise macht ihr es dem Leser nicht nur schwerer, zu erkennen, wer da spricht, ihr verschenkt auch eine grandiose Möglichkeit der Charakterisierung. Wie man es besser macht, verrate ich euch dann im dritten Schreibtipp.

Alle Schreibtipps findet ihr hier (ja, sind bisher nur zwei, aber ich plane weitere ;))

Dieses und andere Themen behandele ich übrigens auch im Januar in meinem Seminar „Wie schreibe ich ein Buch?“

 

Schreibtipp – Dialoge 1: Er darf’s auch mal sagen

Da sich meine Schreibwerkstatt für Sonntag eine Einheit zum Thema Dialog gewünscht hat, machte ich mir gerade mal wieder Gedanken dazu, wie man einen guten Dialog schreibt und welche Möglichkeiten man bei der Gestaltung hat.

Dabei fiel mir die „Sagtegophobie“ auf, die viele (gerade angehende) AutorInnen mitbringen. Es ist durchaus statthaft, hier und da auch mal „sagte er“ oder „sagte sie“ zu schreiben. Es muss nicht immer gegrunzt, gegrantelt, geseufzt oder gehaucht werden. Wenn der Dialog selbst gut geschrieben ist, wird auch dreimal hintereinander „sagte er/sagte sie“ verziehen, meist sogar überlesen.

Wenn man die Art, wie eine Figur etwas ausdrückt, unterstreichen will, darf natürlich auch „gebellt“, „gekrächzt“ oder „drohend geflüstert“ werden. Aber wenn es einfach nur gesagt wird, dann darf auch das da stehen. Vor allem wenn sonst auf zwei Seiten Dialog ein komplettes Ballett aller erdenklichen Sprecharten getanzt wird 🙂

Aber gute Diaologe zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie oft gar keine Zuordnung mehr brauchen, weil die Figuren so unverwechselbar sind. Wie man das erreicht, verrate ich euch dann im nächsten Schreibtipp 😉