Ich habe etwas gesehen: Cars

Ich habe jetzt auch mal Cars gesehen. Da bei mir Autorennen im Interesse ungefähr mit Curling und Hallenhalma auf einer Stufe stehen, hatte es mich bisher nie gereizt, diesen Film zu sehen. Aber nachdem der Sohnemann nun neben Star Wars seit Wochen von „Laitnik Mit Kwien“ (Lightning McQueen) sprach, habe ich mich überreden lassen.

Pixar macht gute Filme. Das ist mal klar. Cars kann es neben Toy Story oder Monster AG dabei maximal so gerade eben aufs Treppchen schaffen. Ebenso klar. Aber die Geschichte um das arrogante Rennauto, das in einer Provinzstadt sein Herz entdeckt, hat all die guten Elemente, die schon Doc Hollywood damals zu einem unterhaltsamen Film gemacht haben (was nicht überrascht, ist es doch weitgehend die gleiche Geschichte – aber eine gute Hommage ist ja nix Schlechtes). Dazu noch ein paar spannende Rennszenen, die auch mich durchaus gepackt haben. Standardhollywoodkino der besseren Art also, mit einer guten, wenn auch ein bisschen dick aufgetragenen Botschaft: Fairness ist wichtiger als Gewinnen, Herz ist wichtiger als Erfolg. Insofern: Genau das Richtige für einen netten Sonntagnachmittag mit der Familie und ein guter Grund, die Carrerabahn wieder rauszuholen. Aber den zweiten Teil muss ich eher nicht mitnehmen.

Ich habe was gelesen: Bartimäus

Es hat einen Vorteil, wenn man mal wieder gleichzeitig mit dem Kind krank daniederliegt und aus Sorge um die Vorbildfunktion nicht 8 Stunden lang in die Glotze gucken kann: man kommt dazu, mehr zu lesen. Jetzt habe ich Bartimäus durch und war angenehm überrascht. Das Buch erzählt die Geschichte eines überehrgeizigen Zaubererlehrlings in London, der den namensgebenden Dämon für eine kindische Racheaktion beschwört und sich damit eine Menge Ärger einhandelt.

Das Buch firmiert unter dem „All-Age“-Stempel, was nichts anderes ist, als eine Legitimation dafür, dass auch Erwachsene jetzt Jugendbücher lesen. Das war mir  allerdings immer schon völlig wurscht und auch mit fast 40 lese ich Pippi Langstrumpf in aller Öffentlichkeit. (Mal ehrlich: Die meisten Kinderbuchklassiker und viele moderne Jugendbücher sind in Figurenführung, Plot und Stil dem Rotz, der im Gros die Bestsellerregale der Erwachsenenliteratur bevölkert, um längen überlegen.)

Nun hab ich also Bartimäus gelesen und fand es so kurzweilig, dass ich mir gleich den Nachfolger bestellt habe. Art und Humor erinnern mich stark an die Dämonenreihe von Asprin und auch wenn die Story manches Mal ein wenig sehr konstruiert wird, ist sie spannend und unterhaltsam präsentiert. Humorvolle Fußnoten lassen die geistigen Wurzeln des Autors klar erkennen (und wer jetzt nicht weiß, auf welche Romanreihe ich mich damit beziehe: Zurück auf die Nerdschulbank!).

Klare Empfehlung für den Nachttisch, gerade, wenn der Geist ein wenig zu krankheits- oder medikamententrunken ist, um sich auf Kant oder Goethe zu konzentrieren 😉

I need a Hero …

Layout 1 (Page 1)Vielleicht liegt es daran, dass ich meinen Vater ebenfalls an den Krebs verloren habe; vielleicht auch daran, dass ich die Autorin Root Leeb persönlich kennen gelernt habe und als witzige, einsichtige und durchweg sympathische Person schätze; vielleicht hege ich auch Gefühle für das Buch, weil ich es schon so lange kenne; wahrscheinlicher jedoch scheint mir, dass meine Begeisterung für ihr neues Buch vorrangig darin begründet liegt, dass es einfach ein verdammt gutes Buch ist.

Hero – Impressionen einer Familie wird dem Klappentext gerecht, wächst aber für mich weit über diesen hinaus:

Hero, ein Vater, der versagt hat. Fünf erwachsene Kinder, die keinerlei Gefühl der Zusammengehörigkeit verbindet. Und ein Hochzeitsfest auf Mallorca, bei dem Nele, die »unsichtbare« Tochter, fehlt. Doch als Hero an Krebs erkrankt, ist es genau diese eine, die sieht, was zu tun ist. Sie akzeptiert den mitunter skurrilen Umgang ihres Vaters mit dem Sterben, konfrontiert ihn mit ihrer Liebe zu dem Nigerianer Ken und gewinnt durch ihre Entschlossenheit nach und nach den Respekt Heros. Kurz vor seiner letzten Einweisung ins Krankenhaus überreicht er ihr einen geheimnisvollen Karton. Erst nach seinem Tod soll Nele den Inhalt an Mutter und Geschwister verteilen …
Ein Roman vom Leben und vom Abschiednehmen: schnörkellos, ehrlich, bisweilen komisch. Und zugleich auf faszinierende Weise zart und sensibel.

Root schafft es, ein schweres und schwerwiegendes Thema offen und kompromisslos anzugehen, die Samthandschuhe in die Schublade zu verbannen, die bei einer Geschichte übers Sterben auch tunlichst nichts zu suchen haben. Die lebensverkürzende Krankheit ist hier weder der große Bösewicht, noch ein netter, aber nichtssagender Plottwist im Stile schlechten Hollywoodkinos. Nicht die Tränendrüse ist Ziel des Buches, sondern Hirn und aufrichtiges Herz sind es. Das Buch ist emotional, ohne gefühlsduselig zu werden; voller intelligenter Beobachtungen, ohne bevormundend zu sein. Der Leser wird tief und ehrlich mitgenommen in die verkorksten Familienstrukturen und in das Leid, das Krebs bedeuten kann. Dabei ist das Buch aber unterm Strich eine Geschichte über das Leben.

All das erreicht die Autorin nicht zuletzt über einen originellen und eingängigen Stil, der lyrische Verschwurbelungen ebenso meidet wie allzu plattes Anbiedern an die Gemeinsprache. Es ist ein Buch, mit dem man sich näher befassen sollte, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen; das für den Nachttisch nicht wirklich ungeeignet, aber meiner Meinung nach zu schade ist. Keine leichte Lektüre, aber flüssig und spannend genug, um zu fließen.

Oder kurz gesagt: Ich mag es, also lest es! 😉

Rezension: Schöne neue Welt

Aus der Reihe: Klassiker, die man angeblich gelesen oder gesehen haben muss (zu dem Thema und als Aufhänger für umfangreiche Flamewars: Citizen Cane, Der Pate, Apocalypse now und Cassablanca sind stinklangweilig, eignen sich nur als Zitatsteinbruch und sind völlig überschätzt, der Hofnarr hingegen ist echtes Gold) heute: Schöne neue Welt (Brave New World) von Aldous Huxley.

Vorweg Grüße an Svenja Wallbrecher, der das auf dem Flohmarkt erstandene Buch offenbar vorher gehörte – zumindest steht ihr Name vorne drin. Wenn du das hier liest, melde dich bei mir, dann schenke ich dir eines meiner Bücher 🙂

Schöne neue Welt reiht sich nahtlos in die Reihe der bekannten und im Schulunterricht totinterpretierten Dystopien wie 1984 oder Fahrenheit Dingensirgendkirchen (kann mir die Zahl nicht merken und bin zu faul, zu googlen) ein. Das Buch erschien 1932 und schildert eine Welt, in der Familien abgeschafft sind, Menschen in Reagenzgläsern und künstlichen Gebärmuttern herangezüchtet und schon dabei intellektuell und physiologisch auf eine bestimmte Schicht in der Gesellschaft hingezüchtet werden. Drogen und Dauerunterhaltungsprogramme machen sie gefügig und glücklich sein wird vorausgesetzt (hat da jemand „Bürger“ gesagt?).Bücher sind igitt, Bildung und kritische Gedanken ebenso, Konsum ist Weltreligion.

Das Buch, das der Übersetzer ebenso wagemutig wie erfolgreich aus England nach Deutschland verpflanzt, erzählt die Geschichte verschiedener Mitglieder dieser Gesellschaft, einige davon haben Schwierigkeiten, sich in dieses Idealbild einzufügen, andere werden praktisch gegen ihren Willen aus dieser „Idylle“ gerissen. Und dann gibt es da noch den Wilden aus einem unreglementierten Reservat, der als Attraktion eingeflogen wird.

Der Erzählstil des Buches ist an vielen Stellen überraschend modern und konkret, an anderen fühlt es sich doch eher wie ein Gleichnis an und die Sprache ist für das 2012er-Auge ein wenig schwergängig. Die geschilderte Gesellschaft mit verschiedenen sozialen Kasten, medialer Dauerberieselung mit dem Anspruchslosen und der dauernden Gier nach Sex kommt unangenehm nah an viel heran, mit dem wir uns heute herumschlagen müssen. Die Menschenzucht ist zum Glück noch nicht so weit gediehen, aber gerade im Licht moderner moralisch-ethischer Diskussionen über Frühtests während der Schwangerschaft steckt auch hier viel Gedankenpotenzial.

Das Ende des Buches ist recht defätistisch und abrupt und wirkt ein wenig, als wisse der Autor selbst nicht so recht, wie er aus der Nummer wieder rauskommt.

Kurzum: Wer das Buch in der Schule noch nicht gelesen hat und Dystopien generell verkraften kann, könnte zu diesem Klassiker greifen, ohne es zu bereuen. Ein Dan Brown ist sicher spannender, dafür aber in der Regel auch doppelt so dick und nicht halb so gedankenanregend 🙂 Ich habe es nicht bereut, das Ding gelesen zu haben, aber eine Fortsetzung hätte ich jetzt auch nicht gebraucht.

Rezension: Die zerbrochene Puppe

Mein Ausflüge in den Steampunk als Leser sind bisher nicht allzu vielzählig gewesen, was unter anderem damit zusammenhing, dass die wenigen Werke, für die ich mir Zeit genommen hatte, entweder twilighteske Zuckerromanzen mit ein paar eingestreuten Zahnrädern, moralinsaure Technokritiken oder schlichtweg „08/15, aber jetzt mit Luftschiffen“ waren. Das Buch, dass mir aus dem Genre bisher am besten gefallen hat, war Das mechanische Herz, das ich hier besprochen habe.

Ich bin sicher, es gibt sehr viele Beispiele von Steampunkromanen, die auch mir gefalllen würden, aber die sind mir eben bisher noch nicht untergekommen. Die zerbrochene Puppe hatte den unfairen Vorteil, dass sie von einer Kollegin, die ich sehr schätze, und ihrem Mann, den ich ebenfalls sehr schätze, aber nicht ganz so attraktiv finde, geschrieben wurde: Judith C. und Christian Vogt zeichnen für diesen Roman verantwortlich.

Und was soll ich sagen: Ich habe einen neuen Liebling in Sachen Steampunk. Judith und Christian schaffen es, eine originelle Geschichte über einen Künstler zu erzählen, der im Schatten seiner genialen Frau steht. Diese Frau schickt sich an, nicht weniger zu schaffen, als die Geschichte der Stromerzeugung zu revolutionieren. Entsprechend gefragt ist sie in den Industriellen-Kreisen des 19. Jahrhunderts. Eines frostigen 19. Jahrhunderts übrigens, das mit dem uns bekannten wenig gemein hat, wie es sich für Steampunk gehört.

Die Vogts ziehen aber mit ihrer alternativen Historie ganz neue Register, denn wer hätte bislang von friesischen Luftschiffpiraten oder Städten auf Eisbergen an norwegischen Küsten gehört? Ich will über den Inhalt nicht zuviel verraten, aber das überaus begabte Autorenpaar schafft es, eine sympatische Hauptfigur auf natürlich scheinende Weise über sich hinauswachsen zu lassen, der Humor und sogar die Erotik kommen nicht zu kurz und es gibt Luftschiffkampfszenen, bei denen sich Rocketeer mehr als eine Scheibe abschneiden könnte.

Eine spannende, phantastische Geschichte mit Automaten, Aristokratie und aberwitzigen Aeronauten. Kaufen, lesen, noch ein paar mal kaufen, zu Weihnachten verschenken lautet meine Empfehlung!

Und ja, ich weiß, ich finde bisher jedes Buch von Judith toll, das ich lese. Was soll ich machen? Sie schreibt halt einfach keine schlechten Bücher …

Hier noch der Klappentext, lasst euch von den seltsamen Schriftzeichen nicht abhalten …

Die Physikerin Æmelie von Erlenhofen stellt auf einer Konferenz in Venedig den Prototypen einer Brennstoffzelle vor. Kurz darauf dringen wandelnde Tote in ihre Unterkunft ein und töten die Wissenschaftlerin, der es gerade noch gelingt, ihrem Mann Naðan die Flucht zu ermöglichen. Das Letzte, was sie ihm mit auf den Weg gibt, ist ihre alte Porzellanpuppe, die von nun an Naðans beste Freundin wird, da sie mit der Stimme seiner verstorbenen Frau spricht. Die sterblichen Überreste Æmelies indes verschleppen die wandelnden Kadaver.
Die Polizei kann der Spur bis nach Æsta, einer schwimmenden Stadt auf einem Eisberg, folgen, wo sie sich verliert. Naðan beschließt, weiter nach Æmelies Leiche zu suchen. Mittellos fahndet er zwischen Gewerkschaftlern, Huren und Opiumsüchtigen nach dem Täter.
Eine Odyssee beginnt, in deren Verlauf Naðan zahlreiche Irrungen und Wirrungen durchleben muss, ehe er einem schrecklichen Geheimnis auf die Schliche kommt.