Mach mal Dampf – Wiesler goes Steampunk

Der André Skora macht mal wieder eine seiner großartigen Kurzgeschichtensammlungen, diesmal mit dem Thema Steampunk. Seit ich Die zerbrochene Puppe von den Vogts gelesen habe, mag ich das Genre wieder sehr. Aber natürlich bleibe ich der Mann für’s Grobe und kann darum schwerlich viktorianische Empfänge beschreiben. Also habe ich mir für meinen Beitrag etwas Handfesteres ausgedacht. Nachstehend schon mal ein kleiner Teaser mitten aus der Geschichte. Wenn ihr den Rest lesen wollt, behaltet die Seite im Auge, sobald das Buch kommt, erfahrt ihr es unter anderem hier 🙂

»Los, los, los!«, rief Jakob, schlug die Klappe am Helm zu und warf sein Seil durch die Luke. Dann sprang er hinterher, bevor er über seine verrückte Idee nachdenken konnte. Das Gewicht des Anzugs riss ihn nach unten wie einen Stein und sofort setzte das Kreischen der Winde am Rücken der Rüstung ein, die seinen Sturz in einen vertretbaren Abstieg verwandeln wollte. Der Wind rauschte über die vergitterte Scheibe vor seinem Gesicht. Franz, der Irrsinnige, schoss mit einem Jauchzen an ihm vorbei, Edgar schloss zu Jakob auf, der Rest ließ es mit dem Abstieg ruhiger angehen.

Jakob blickte Franz nach, der in diesem Moment die Steuerklappen aufschnellen ließ. Die Bewegung nach unten wurde zu einer Bogenbewegung, direkt auf den Géant zu. Noch gute fünfzig Höhenmeter trennten sie vom Boden, fünfundzwanzig von ihrem Ziel. Und rund zwanzig horizontal. Auch Jakob zog den Hebel und spürte den Ruck, als sein Anzug sich in den Luftstrom legte und ihn auf den Riesen zusteuerte.

In dem Moment wurde ihr Abstieg bemerkt. Gewehrkugeln prallten pfeifend an seiner Rüstung ab, ohne dass er den Einschlag spürte. Noch zehn Meter. Franz war fast da, schwang die Beine nach vorne, um auf den Schultern des Riesen zu landen, da touchierte ihn eine Kanonenkugel. Sie traf seitlich auf seinen Rücken und schleuderte ihn gegen den Kopf des Riesen. Der eingedrückte Tank mit dem Flüssigdampf platzte auf. Die Chemikalie geriet mit der Luft in Kontakt und breitete sich explosionsartig aus. Franz wurde auf einem Dampfstrahl vom Kopf des Riesen weggerissen und trudelnd über das Schlachtfeld hinweggeschleudert.

Jakob zwang sich, nicht über diesen Verlust nachzudenken. Dazu war später noch Zeit, aber jetzt war es an ihm, auf dem Giganten zu landen. Er ließ das Bajonett am Unterarm hervorschnellen und kappte das Seil, dann warf er Arme und Beine nach vorne. Er knallte hart auf den Riesen, der in diesem Augenblick bereits den Arm hob. Das Bajonett kratzte nutzlos über die Metallhülle, aber seine Griffklammer bekam die Kante einer Panzerplatte zu fassen. Er zog sich daran auf die Schulter hinauf und duckte sich unter dem Arm hindurch, der nach ihm schlug, wie nach einer Mücke.

Edgar landete auf dem zum Schritt erhobenen Oberschenkel des Riesen, Karl-Maria auf dem anderen Arm. Der Rest ihrer Einheit verfehlte den Géant. Der Apparat lief unbeirrt weiter, sein Ziel war offensichtlich die Artillerie. Wie die Delle zeigte, an der sich Jakob festgehalten hatte, war sie das einzige, was ihm gefährlich werden konnte.

»Wollen doch mal sehen, ob das so stimmt!«, keuchte er und lief auf den Kopf zu. Keine Tür zu sehen. Der Zugang konnte sich überall befinden, am Bauch, auf dem Kopf, in einem der Arme. Aber wo bei einem Menschen die Ohren saßen, fand er eine vergitterte, kopfgroße Öffnung vor. Dahinter starrte ihn entsetzt ein junger Mann an. Er trug eine blaugrüne Uniform und eine stilisierte Dampfwolke auf der Schulterklappe und rief nun etwas auf Französisch über die Schulter. Fremdsprachen waren noch nie Jakobs Stärke gewesen, aber es war nicht schwer zu erraten, was der Tireur de Vapeur da weitergab.

Jakob hakte seinen Sicherungshaken in das Gitter ein und warf sich zur Seite. Zwei Meter Kette rollten aus seinem Arm ab, während er wie ein Bergsteiger an der Wand in den Nacken des Géant lief. Die Hand des Riesen krachte gegen den Kopf, wo er gerade noch gestanden hatte und verharrte dort.

»Na, wenn das keine Einladung ist.«