Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 9: Verrat, Betrug und Würfeln sowie In Nomine Spielleiteris

Wenn ihr um diese Zeit an Sylvester vor dem Rechner sitzt, macht ihr es richtig. Genießt eure Freiheit, öffnet 9Gag, Youtube und Geekologie gleichzeitig, esst ungesunde Sachen, die nicht erst eine Stunde in nicht wirklich siedendem Fett hängen müssen und freut euch auf 2013. Und wenn euch trotzdem langweilig ist, könnt ihr mit mir eine Zeitreise ins Jahr 2001 unternehmen und euch diese Kolumnen ansehen.

Verrat, Betrug und Würfeln

Wir kennen sie alle. Diese verabscheuungswürdigen Kreaturen, die das immer harmonische, immer segensreiche Rollenspiel mit ihren gichtartigen Klauen zerreißen, die – meine Hand zittert, während ich dies tippe – betrügen! Diese Würfelwender, diese Becherdrüberhalter … Mir wird übel, wenn ich an sie denke, aber ach, als die Welt verbessernder Dichter alter Schule, die Rasierklinge, um die Stirn noch tiefer zu furchen, immer griffbereit, muss ich da durch.

Spielerleiter, seid gewarnt. Wenn auf einen eurer Spieler mehr als eine der folgenden Dinge zutrefffen, habt ihr mit großer Sicherheit einen Judas am Tisch und solltet Teer und Federn bereitstellen.

1)   Beantwortet die Frage des SL: „Was hast Du denn?“ stets mit der Gegenfrage: „Was brauch ich denn?“

2)   Benutzt durchsichtige, kleine Würfel, die er bei Kerzenlicht selbst kaum lesen kann.

3)   Besitzt einen knautschbaren Lederwürfelbecher, mit dem er den Würfel nach dem Wurf sofort wieder aufsammelt.

4)   Muss, nachdem er „gelungen“ gerufen hat und nach dem Würfelergebnis gefragt wurde, erst zurückrechnen, was er dann gewürfelt hätte haben müssen.

5)   Ihm gelingen Proben, bei denen er eine 7 hätte würfeln müssen – auf dem W6?

6)   Hat von einem Abend zum anderen höhere Werte – ohne Erfahrungspunkte bekommen zu haben.

Dann fürchtet Euch, denn der Feind ist unter Euch. Aber bedenkt, dass es da heißt: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Würfel! Und der Spielleiter muss natürlich betrügen …

In Nomine Spielleiteris

 Nicht Tod, Hunger, Angst oder Gewalt sind die Geißeln der Menschheit! Das große Leid kommt nicht aus einer Waffe oder einem Labor. Der Antichrist kann einpacken und seine ganze PR-Abteilung Mitnehmen. Das wahre Böse dieser Welt ist der Spielleiter!

Wer kann sie ermessen, die nicht enden wollende Pein, hervorgerufen durch die schreckliche, seelische Folter, derer sich die Spielleiter aller Länder (mit zweifelsfreiem Genuss, wie ich als ebenfalls häufiger Spielleiter hinzufügen muss) bedienen.

Der wie zufällig erscheinende Anruf am Abend vor dem Spiel:SL: „Ich bin’s! Geht das klar mit morgen abend?“
Spieler: „Ja, sechs Uhr, wie immer?“
SL: „Genau! Bis dann!“
Spieler: „Bis dann!“
SL: „Ach übrigens: Ich hab schon’ne schöne Idee!“ *Klick*
Eine schöne Idee? Schön für wen? Für den Spielleiter? Für die Gegner? Und weiß nicht jeder, der jemals in die Augen eines Spielleiters geblickt hat, dass in seinem Wortschatz „schön“ als Synonym steht für Blut, zermalmen, sterben?!

Um den Nachtschlaf gebracht kommt man dann – schon drei Valium intus – endlich zum Spielen und sofort wird man mit einem gehirnknackenden Rätsel konfrontiert. Intrigen und Lügen umgeben einen und das Abenteuer will partout seinen Sinn nicht entblößen. Aber hilft einem der Spielleiter? Kommt er mit der Brechstange, um das Brett vor dem Kopf zu lösen? Nein! Er sagt, mit süffisantem Grinsen: „Ihr habt alles, was ihr braucht!“

Danke! Vielen Dank! Als wenn wir uns nicht schon dumm genug vorkämen, nein, er muss uns auch noch in den Glauben bestärken, dümmer als das Kind von Verona Feldbusch und Karl Dall zu sein. Wenn wir alles haben, warum macht es dann keinen Sinn?!

Irgendwann, nachdem alle Spieler schon Pizzastücke an der Stirn kleben haben, vom Kopf auf den Tisch schlagen, findet sich dann doch die Lösung – begleitet natürlich von einem „Ich hab ja gesagt: ihr habt alles!“ vom Teufel in Spielleitergestalt. Also eilt sich die Gruppe den Bösewicht zu stellen. Sie erreicht ihn und…

„Da machen wir dann nächste Woche weiter!“

Dieser Satz sollte aus allen Büchern dieser Welt gestrichen werden und Spielleiter sollten ihn aus dem Kopf lobotimiert bekommen! Ich will nicht nächste Woche weiterspielen! Ich will den Mistkerl jetzt an seinem *pieps* aufhängen und ihm seinen *pieps* in den *pieps* schieben!

Spielleiter sind allesamt Schweine!

 

Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 8: Seht her, ich bin der coole Antiheld

Menschen ändern sich. Rollenspiele ändern sich. Nur die Ernährungsgewohnheiten des gemeinen Rollenspielers ändern sich nicht. Hat mit der nachfolgenden Kolumne auf dem Jahr 2001 nix zu tun, ist aber eine bemerkenswerte Weisheit.  

Szenen meiner frühen Jugend: Mit knirschenden Zähnen stehe ich, meines Zeichens Rondrageweihter, auf der morschen Brücke und erwarte den Ansturm der Orks. Hinter mir, nur geschützt durch meine ochsenartigen Muskeln und dazu passenden Hoden, das idyllische Dorf inklusive schmachtbegeisterter Noch-Jungfrauen. Da kommen sie, ach, reihenweise fallen sie, von meinem treuen Rondrakamm niedergemacht, während die Zahl der Pfeile in meiner Brust erst zwei-, dann dreistellig wird. Das waren noch Zeiten…

Und heute? Der strahlende Palladin kann eine Woche auf der Brücke stehen und warten, nichts passiert. Während er nämlich noch schnell Pipi machen war, um nicht mitten in der Schlacht zu müssen, haben sich seine Antihelden-Freunde bereits ins Lager der Orks geschlichen und deren Wasservorrat mit einer magisch bearbeiteten Geschlechtskrankheit vergiftet und unserem tapferen Helden bleibt nur, seine Rüstung zu polieren.

Woher kommt die Unsitte, sich keine rechten Helden mehr zu erschaffen? Die Hochelfen kriegen offensichtlich keinen mehr Hoch, wenn man mir diesen an den Ohren herbeigezogenen Scherz verzeihen mag. Wie sonst ist es zu erklären, dass es nur noch Schwarz- oder im besten Fall Grauelfen gibt? Und wieso muss jeder Kämpfer desillusioniert sein, jeder Spielmann versoffen, jede Heilerin in Wirklichkeit eine dunkle Vergangenheit als Hure eines minderjährigen Dämonenkönigs hinter sich haben? Kurzum, warum muss jeder Charakter heuer so mit Nachteilen beladen sein, dass er kaum noch gehen kann?

Ganz klar: White Wolf ist schuld! Die haben mit dem ganzen Kram doch erst angefangen! Geheiligt die Tage des DSA und AD&D erster Editionen. Strahlende Rüstungen, strahlende Jungfrauen, Strahlen des Blutes – das waren noch Zeiten! Mali bei Lebenspunktverlust? Sind wir Medizinstudenten, dass wir so kleinlich werden müssen? Schmerzen? Jetzt werdet mal nicht albern, wir sind Helden!

Und dann kommt Mark Rhein-Main daher und wirft uns im Inneren geplagte Vampire vor die Füße. Wenn ich im Inneren geplagt sein will, esse ich eine Chilli-Pepperoni-Pizza! Aber der große Mark Rein-Raus vernichtet im Vorbeigehen das sexuell konnotierte Dracula-Bild und beschert uns dicke Live-Rollenspieler in Birkenstöckern, mit rotem Gardinenstoffumhang und Karnevalplastikzähnen. Vielen Dank!

Oder diese Werwolfgeschichte… Was sollte das bitte? Wenn ich von Selbstzweifel und Verzweifelung zerfressene Kämpfer sehen will, schalte ich einen Boxkampf ein. Metzeln muss geistfrei bleiben! Da erschafft man sich eine absolute Killermaschine mit Krallen wie Dolly Buster und Brustmuskeln wie die Klitschkos zusammen und dann… muss man sich vom Spielleiter über die Apokalypse vollquatschen lassen. Nein Danke!

Von dieser anderen Schmocke ganz zu schweigen. Wer außer Claudia-Schiffer-Fetischisten will schon David Copperfield spielen, oder tote Leute oder gar Rotkäppchen?

Kurzum, ich fordere hiermit die Abschaffung aller coolen Antihelden. Ab sofort haben wieder die Krieger mit Klugheit 8, die Priesterinnen mit 120-30-90 und die ehrenvollen Diebe, die „Bitte“ und „Danke“ sagen, zu erscheinen, oder ich schicke Euch meine mit Plattfüssen und Ehrgefühl versehenen Ninja-Toaster auf den Hals!

pwned by WordPress

Berühmte letzte Worte: „Sie sollten aus Sicherheitsgründen unbedingt auf die aktuelle Version umstellen“ … und was mach ich Idiot? Ich klicke auf „aktualisieren“. Tolles neues WordPress. Böse alte Plugins, die nicht mehr funktionieren und verhindern, dass man weiterhin Links einfügt oder sich die HTML-Version eines Posts ansieht.

Also auf zur Rettungsolympiade: Browser neu starten. Rechner neu starten. Browser-Cache und Cookies löschen. Java aktualisieren. Plug-Ins aktualisieren. Plug-Ins eines nach dem anderen ausschalten. Hilfeforen bemühen. Mit zitternden Fingern und ungesundem Halbwissen in PHP-Dateien herumfuhrwerken. Ah, klappt wieder. Prima. Zeit: eine Stunde und zwölf Minuten. Das muss neuer Rekord sein.

Hat dieser Post einen tieferen Sinn? Nein. Außer vielleicht: Alles Neue birgt Gefahren, aber siehe, du wirst über dich selbst hinauswachsen und sie lösen. Oder dein Betriebssystem neu installieren. Wahlweise. Auf jeden Fall wirst du deinen Computer hassen und ihm doch hörig sein. So wie Facebook. André out.

 

Der König der Diebe ist wieder da!

König der Diebe – Wieslers erster Roman

Nach Jahren, in denen der Roman vergriffen war, kann man mein Erstlingswerk aus dem Das Schwarze Auge-Universum jetzt zumindest als Ebook wieder erstehen. Der König der Diebe ist nun im Ulisses-Shop für 7,99 Euro erhältlich – Heureka!

Wer also schon immer mal einen gut abgehangenen, alten Wiesler genießen wollte, sollte dringend zugreifen.

 

 

 

 

Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 7: Ein ganz normales Weihnachten

Passend zum Fest eine weitere gut abgehangene Kolumne, diesmal sogar aus dem Jahr 2000.

Einmal im Jahr kann man auf Erden ein drolliges Schauspiel beobachten. Die Menschen huldigen mit panischen Einkäufen den Göttern des Konsum, um wenige Tage später den Götzen des Familienstreits zu opfern – manchmal sogar ihre Familienmitglieder. Wenn aber kein Festtagsmassaker dazwischenkommt, dann kann man in vielen Haushalten Szenen wie die folgende erleben:
Mutter: „Bescheeeerung!“
Sohn: „Na endlich!“ (zerfetzt die Verpackung eines Geschenks)
Oma: „Dat is von mich!“
Sohn: „Äh… was ist das denn? Eine Unfallversicherung?“
Oma: „Ja, du wolltest doch was von der DAS!“
Sohn: „DSA! Ich hab gesagt DSA! Ach egal – danke Omma!“
Vater: „Das hier ist von mir, mein…!“
(Das Geräusch von zerfetzendem Papier übertönt sein letztes Wort)
Sohn: „Cool, das Shadowrun-Regelwerk… Aber, aber… das ist ja die erste Edition!“
Vater: „Ich hab es sogar noch um zehn Mark billiger gekriegt!“
Sohn: „Aber das ist veraltet!“
Vater: „Ach, so viel wird sich schon nicht geändert haben! Ist doch nur ein Buch!“
Sohn: (Langsam verzweifelt): „Kann man das vielleicht umtauschen?“
Mutter: „Jetzt pack meins aus, pack meins aus!“
(Sohn, schon deutlich skeptischer, wickelt ein weiteres Buch aus)
Sohn: „Das neue D&D Regelwerk.“
Mutter: „Na, ist es das richtige?“
Sohn: (ungläubig): „Ja… Ja, sieht so aus!“
Mutter: „Schön, da freu ich mich!“
Sohn: „Danke! Vielen Dank!“
Mutter: „Ach so, die ganzen Seiten mit den halbnackten Frauen hab ich natürlich rausgeschnitten!“
(Ein langgezogener Schrei, während das Bild dunkel wird. Szenewechsel: Der Sohn kauert in der Besenkammer, wippt vor und zurück)
Sohn: „Ich wollte doch nur… ein bisschen spielen… ist das zuviel verlangt?“
(Die Türe öffnet sich, die Schwester schaut hinein, wirft ihm dann einen einzelnen W10 an den Kopf)
Schwester: „Da, Frohe Weihnachten, Brüderchen!“
(Sohn presst den Würfel an seine Brust und weint)

In diesem Sinne: Ein fröhliches Weihnachtsfest!
André Wiesler

Frohe Weihnachten! Wiesler verschenkt Jugendbuch

Ich wünsche allen meinen Lesern und denen, die es noch werden wollen, ein ruhiges, besinnliches und vor allem glückliches Weihnachtsfest. Den anderen natürlich auch, aber die werden kaum auf diese Seite kommen 😉

Ich habe lange überlegt, was ich euch zu Weihnachten schenken könnte. Für Nacktfotos kennen wir uns noch nicht lang genug und Socken habt ihr bestimmt schon. Also habe ich mich für ein Ebook entschieden. Genauer gesagt habe ich beim Wühlen im Archiv das mittlerweile zwölf Jahre alte Jugendbuch „Johannes, sag mal Currywurst“ gefunden, dass damals kein Glück bei den Verlagen hatte. Hauptargument (zumindest das offizielle) war: zu lang für Jugendliche. Wir befanden uns im Jahr -1 vor Harry Potter.

Bei der erneuten Lektüre fand ich die Geschichte immer noch charmant, wenn ich sie heute auch etwas anders aufziehen würde. Geschrieben habe ich es damals zum einen, weil ich mehr Leuten klar machen wollte, was Rollenspiel ist und weil ich zum anderen sehr interessiert die Forschung zum Stottern verfolgt habe. Die ist heute, 12 Jahre später, deutlich weiter, als sie damals war und einen Faktencheck würde das Buch vermutlich darum nicht unverändert überstehen. Von einem Rechtschreibcheck ganz zu schweigen. Aber ich habe beschlossen, euch das Buch exakt so zu bringen, wie ich es damals an die Verlage geschickt habe. Vintage, sozusagen.

Dabei war mir Michael Mingers eine große Hilfe, der aus der Word-Datei ein Epub gemacht hat. Vielen Dank, Scorpio, und auch dir ein DORPtastisches Weihnachtsfest.

Als Disclaimer sei erwähnt, dass natürlich die allermeisten Sprachtherapeuten nicht das Geringste  mit Professor Stoffel gemein haben, sondern hervorragende Arbeit leisten und dass es sehr, sehr viele unterschiedliche Gründe für das Stottern gibt und Johannes da nur als Beispiel für eine sehr spezielle Ursache gelten soll.

Wenn euch das Buch gefällt, dann will ich Geld von euch! Aber nicht für mich, sondern für den Kinderhospizdienst Bergisch Land (Spendenkonto findet ihr unten), der lebensverkürzend erkrankte Kinder und ihre Familien auf ihrem schweren Weg begleitet. Wenn es euch nicht gefällt, solltet ihr trotzdem spenden – es ist immerhin Weihnachten. Ihr könnt im Betreff dann ja ergänzen: „Trotz Wieslers Buch spende ich gerne“ oder so 😉

Auf jeden Fall aber solltet ihr mir hier in den Kommentaren, per Mail oder per Facebook bescheid geben, wenn ihr das Buch gelesen habt und es bitte munter weiterverteilen. Ob ihr mir dabei auch eure Meinung mitteilt oder sie gar geigt, erwarte ich gespannt.

Hier noch ein Abschnitt, den ihr posten könnt, wenn ihr auf das Epub verweisen möchtet. Bitte verlinkt dabei auf die Datei auf dieser Seite und ladet sie nicht neu bei euch hoch, damit ich einen Überblick bekomme, wie viele Leute das Ding gelesen haben.

André Wiesler, Autor und Bühnenkünstler aus Wuppertal, schrieb vor vielen Jahren das Jugendbuch „Johannes, sag mal Currywurst“. Es verbindet das Hobby Rollenspiel mit der Geschichte eines stotternden Jungen. Als Geschenk an seine Leser und die, die es werden wollen, hat Wiesler das unveröffentlichte Manuskript in der unbearbeiteten Originalversion als Ebook kostenlos online gestellt (vielen Dank an Michael Mingers für die technische Aufbereitung). Das Epub darf im Internet nach Belieben kostenlos verteilt werden (am liebsten über einen Link auf den Originalpost), es darf als Geschenk sogar in kleiner Auflage (bis zu 20 Stück) gedruckt werden. Und wenn ihr eine Idee habt, wie ihr damit Geld verdienen könnt oder es für einen kommerziellen Zweck nutzen oder auf einer kommerziellen Seite anbieten wollt, sprecht mit André drüber – die Erlöse gehen dann an den Kinderhospizdienst (siehe unten).

Wenn euch das Buch gefällt, besucht seine Seite www.andrewiesler.de und lasst es ihn wissen. Und/oder spendet das, was euch die Lektüre wert war, an den Kinderhospizdienst Bergisch Land:

Christliche Hospizstiftung
Kontonummer     976779
Bankleitzahl     330 500 00
Verwendungszweck WICHTIG: „Caritas Kinder und Jugendhospizdienst“

Und hier nun endlich der Link zum Epub (da WordPress mich keine epub-Dateien hochladen lässt als zip).

Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 6: Der Würfel ist rund und ein Spielabend dauert 9 Stunden

Ihr kennt die Masche: Ich war mal wieder zu faul, was Neues zu schreiben und präsentiere euch darum olle Kamellen aus dem Jahr 2001.

Eine seltsame Überschrift, nicht wahr? Sie weist in der mir eigenen subtilen und einfühlsamen Art darauf hin, dass gewisse Rollenspieler in der Ausübung ihres Hobbys eine auffällige Ähnlichkeit mit Fußballfans zeigen. Damit meine ich nicht das begierige Starren auf einen rollenden runden Gegenstand, ich beziehe mich auch nicht auf den Hooligan-artigen Überfall des Gourmetrestaurants mit den zwei goldenen Bögen. Es geht mir eher um die passive Form des Rollenspiels. Aber dazu muss ich etwas weiter ausholen. Stellen wir uns ein typisches deutsches Wohnzimmer vor: Eiche-Brutal-Möbel, eine gehäkelte Tischdecke räkelt sich auf, eine in Bronze gegossene Nackerte unter der getönten Glastischplatte. Der Fernseher läuft – eine Fußballübertragung. Und auf der Couch ein liebenswerter, stark übergewichtiger Mann im mittleren Alkoholisierungszustand. Und jetzt ruft er. Er, der keine drei Meter ohne Herzinfarkt laufen könnte, er, der zwar manchmal für einen Fußball gehalten wird, aber seit Jahrzehnten keinen mehr getreten hat, er, der eine Feinmotorik hat, die schon an der Kindersicherung einer Medizinflasche scheitert. Er ruft: „Lauuuuuf doch! Oh Mann! Gib doch ab, du Pfeife! Das kann ich ja besser!“

Und damit sind wir bei der Art Rollenspieler, über die ich heute einige Worte verlieren möchte: die konsumierenden Nörgler. Ich stelle sie mir gerne als kleine, fahlhäutige, buckeltragende Dachkammerbewohner vor, aber blicken wir der hässlichen Wahrheit ins nackte Gesicht: Sie sind unter uns. Der normal erscheinende Heavy Metall-Freak mit seinen 36 Piercings könnte es sein. Auch der bebrillte, dickliche Typ ist nicht sicher vor der Verdächtigung zu dieser Gruppe zu gehören. Ja sogar der blasse Computerfachmann im gestreiften Hemd.

Sie sind es, die vor dem Rechner oder im Sessel sitzen, sich Newsletter, Fanzine oder Zeitschrift vornehmen. Da sitzen sie, und rufen: „Nu schreiiiib doch! Oh Mann! Mach doch mal ne Überleitung! Das kann ich ja besser!“

Oft habe ich einen solchen Kerl schon gepackt und geschüttelt und von ihm verlangt, dann solle er’s doch besser schreiben! Aber auch nach Daumenschrauben und dem Hexenbock sind sie nicht bereit dazu. „Ich weiß, dass ich’s besser könnte – ich brauch es nicht zu beweisen!“ oder „Man muss keine Kuh sein, um zu wissen, wann Milch schlecht ist!“ höre ich dann. Das letzte mag stimmen – aber man muss ein Esel sein, wenn man sie trotzdem trinkt.

Damit nun aber nicht der Eindruck entsteht, ich wäre nachtragend oder gar – Gott behüte – griesgrämig, möchte ich an dieser Stelle dem Papst vorgreifen und euch, all meinen Nörglern, die Generalabsolution erteilen. Es ist ja nicht eure Schuld, dass ihr handlungsunfähig seid. Was könnt ihr dafür, dass ihr konstruktive Kritik im Lexikon nachschlagen müsstet und dabei nicht mal den Buchstaben findet. Man kann es nicht mal euren Eltern ankreiden, dass ihr „aber zackig“ und „gefälligst“ für höfliche Anreden haltet. Kurzum: Ihr könnt ja nichts dafür – jetzt weint mal nicht!

All jenen aber, die in der Lage sind, zusammenhängende Sätze zu formulieren, sei es mit der symbolischen Eisenstange in den Kopf gehämmert: An der Stelle, die der von euch gehasste Artikel einnimmt, hätte ein Besserer stehen können, wenn ihr endlich die Hände aus der Unterhose nehmen und einen schreiben würdet! Also: keine Entschuldigung mehr! Das nächste mal, wenn ihr denkt: „Das kann ich besser!“, dann macht es! Und tröstet euch: Es wird trotzdem immer wieder jemanden geben, der dann an eurem Artikel rumnörgelt!

Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 5: Der Rollenspieler an sich, oder: Packzeuch, allsamt!

Und noch mal grabe ich tief im Archiv und lege mich schief um aus dem Mief was zu ziehen, das vor Altertum trief … t. Yo! Man merkt aus der Referenz auf pupertäre Rollenspieler, wie alt der Text ist.

Rollenspieler zeichnen sich durch Kreatvität, Phantasie, Kommunikationsfähigkeit, Gewaltlosigkeit im wirklichen Leben und Kontaktfreudigkeit aus. Außerdem sind sie gutaussehend, potent, intelligent und spenden Blut, Samen und was sonst noch so an verzichtbaren körpereigenen Dingen gebraucht wird. Sagen die Rollenspieler.

Rollenspieler sind pickelverzierte, gewaltbereite Drogensüchtige, die vom vielen Sitzen übergewichtig geworden sind und vor dem Druck ihrer verkorksten Wirklichkeit in eine Traumwelt flüchten. Sagen die Rollenspielhasser.

Recht haben, so schmerzlich es ist, beide ein wenig! Wer kennt sie nicht, die jungen Burschen und seltener Mädel, die sich bei einem Con unter Vortäuschung falscher Tatsachen in die Gruppe geschlichen haben. Das viele von ihnen pickelverziert sind, mag – gerechterweise sei es erwähnt – an der Pubertät liegen, und der Umkehrschluss, dass Pickel einen schlechten Rollenspieler erkennen lassen, ist unzulässig!

Da sitzen sie nun, unverrückbar, und ziehen das Spielniveau herunter wie Betonschuhe einen erfolglosen Mafiosi.

„Was willst‘n spiel‘n?“ fragt der Spielleiter, sich der Zeitbombe des würfeldominierten Spielens in seiner Nähe noch nicht bewusst. Wenn er sich bemüht, klar und hochdeutsch zu sprechen, fragt er möglicherweise sogar: „Was möchtest du denn spielen?“

„Kämpfer!“ kommt es zurück. Man bemerke die geschickte Einsparung des Artikels, die der Aussage noch mehr Gewicht gibt. (Es gibt natürlich auch diejenigen, die an dieser Stelle: „Magier“, „Dieb“, oder „Elf“ grunzen. Möglichst noch von gegensätzlichem Geschlecht des Spielers.)

„Äh… ja. Was spielst du denn sonst noch so?“

„Bei DSA’n Krieger, bei Star Wars’n Kopfgeldjäger, bei Shadowrun’n Street Samurai, bei D’un’D’n Chaoskrieger, bei PP&P’n Killerkrokodil, bei…“

„Ja, danke!“

Da hat man also wieder einen sitzen (einen Spieler – das andere kommt aus Verzweiflung nach dem Spiel). So einen Kerl, dessen Charaktere sich nur in der Art ihrer Massenvernichtungswaffen (oder Sprüche, oder Einbruchswerkzeug, oder Bogengröße) unterscheiden und vielleicht noch verschiedene Namen haben – aber das letzte ist nicht sicher! Ich hatte schon Spieler, bei denen alle Charaktere „Ulfgart“ oder „Blade“ hießen!

Und man kriegt den nicht wieder weg! Ich habe schon alles versucht!

Auf die Sanfte: „Du, nimm dir mal einen Keks. Das fällt mir jetzt echt schwer, dir das zu sagen, ne, aber ich finde irgendwie, dass du nicht so richtig mit der Gruppe harmonisierst, du!“

Auf die Gemeine: „Du bist hässlich, stinkst, und spielst beschissen!“

Auf die Brachiale: „Verpiss dich, ich will nicht, dass du mitspielst!“

Oder auf die Hinterhältige: „Tja, da trifft dich ein Schuss aus dem Hinterhalt *klapper, klapper* Oh nein, so ein Pech! Du bist Tod!“

Hat alles keinen Zweck. In ihrer Gier, Spielgruppen zu ruinieren, ignorieren sie jeden Angriff und verweigern die Annahme jeder Vernunft. Und natürlich haben sie mehrere (praktisch identische) Charaktere des Spielsystems dabei.

Man fügt sich also, immerhin hat man ja nun schon eine Stunde darauf verschwendet, den Kerl zu schlagen, zu beschimpfen und in einer hastig verordneten Essenspause den Tisch zu wechseln, ohne ihm Bescheid zu geben, aber auch ohne das es etwas genutzt hätte. Sie kommen immer wieder!

Man spielt also. Es baut sich Stimmung auf, weil man in jahrelanger Erfahrung gelernt hat, solche Typen nicht an die Reihe kommen zu lassen, aber dann sieht man ihn da sitzen. Blutunterlaufene Augen starren einen flehend an, der Eiter auf den Pickeln scheint vor Vorfreude zu blubbern und ein Speichelfaden tropft vom Mundwinkel in die Kaffeetasse. Und – verflucht seiest du, oh schwaches Herz – man empfindet Mitleid. Man macht sich daran, ihm eine Szene zu bauen, in der sogar sein flacher Charakter einen Aufritt haben kann. In meinem Fall – und auch wenn ich es in dieser Kolumne mit der Wahrheit manchmal vielleicht nicht ganz so genau nehme, schwöre ich: so hat es sich wirklich zugetragen – war es wie folgt: Schurken, 10 an der Zahl, bereit, sich auf die Gruppe zu stürzen, umringen sie. Der Krieger, wie erwartet, springt vor und verkündet: „Ich schüchtere sie ein!“

„Beschreib, was du machst!“ rufe ich begeistert.

Es ward Schweigen – lange Zeit. Dann: „Kann ich nicht lieber würfeln?“

Manchmal weine ich mich wegen dieser Szene heute noch in den Schlaf.

 

Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 4: Bis die Federbetten rascheln

Und wieder springen wir in die Zeitmaschine. Diese Kolumne stammt aus dem Jahr 2001, aber das Thema ist zeitlos …

Ich habe bereits mehrfach gewarnt, dass Rollenspiel den Blick auf die reale Welt verzerren kann. Heute möchte ich das an einem Thema festmachen, das alle interessieren dürfte: Sex!

Werfen wir einen Blick in eine „normale“ Rollenspielgruppe, bestehend aus einem halben Dutzend pubertierender Jugendlicher bis 25 Jahre. Was für ein Bild von körperlicher Liebe wird dort vermittelt? Wer schwache Nerven hat oder einen Funken emanzipatorischer Gedanken, möge sich jetzt schon mal erschrocken an die Stirn fassen.

Der darbende Reisende kann in den meisten Runden sicher sein, dass jede Schenke ein bis zwei junge, hübsche Mägde bereit hält, die in der Lage sind, sechs Bestellungen auf einmal auf dem wogenden Busen zu servieren. Und natürlich sind die jungen Damen mehr als willig, sich mit den Helden in die Bettkiste zu begeben und dort dann diverse Dinge in verschiedenen Körperhaltungen zu tun, die am Tisch mit der Verkündung: „Darüber wollen wir einen romantischen Vorhang legen“ umschrieben werden. Früher dachte ich, dass wäre der Versuch, den Akt gegenseitiger Offenbarung nicht mit pornoartigen Beschreibungen zu besudeln, aber heute weiß ich: Die Jungs wissen einfach nicht, wie es geht!

Aber zurück zu unserem Problem: Unser junger Held hat nun also Woche für Woche virtuell die Bedienungen ganzer Kontinente gepoppt und wenn sein Spielleiter gnädig war, hat er ihn mit Konstitutions- oder Schwangerschaftsproben verschont. Jetzt erwacht aber in seinem jugendlichen, cholesteringeschädigten Körper die Lust, das Ganze auch umzusetzen. Also begibt er sich in die nächste Kneipe und schon trifft es ihn hart. Die Bedienung ist weder jung, noch hübsch, und auf ihren Brüsten könnte man nur dann Essen servieren, wenn man es in der Senkrechten festtackert. Aber egal, unser Freund vertraut auf seinen Charme und sein gutes Aussehen (es ist wie mit den Bösen, die nicht wissen, dass sie böse sind …) und bringt den unfehlbaren Aufreißersatz, mit dem er noch jede Magd ins Bett bekommen hat: „Hallo schöne Frau! Ich bin ein einsamer Reisender und mich dürstet nach euren zwei großen Krügen Milch!“
„Zwei Milsch, kommts’fort“ schallt es reibeisen-lieblich zurück.
Verwirrung! Enttäuschung! Was geschieht? Das war nicht geplant! Die Bedienung bringt zwei Milch und unser Held setzt nach: „Oh holdes Fräulein, ich trage ein gar prächtiges Schwert unter dem Tische, wollt ihr es bestaunen?“
„Wat?“
„Äh, eure Diebe sind wie Eltern, sie haben die Augen gestohlen und in eure Sterne gesetzt?“
„Hä?“
„Ich geb’ euch auch eine Goldmünze?“

Und damit sind wir bei der zweiten großen Falle des Rollenspiels: Prostitution. Wohin der Charakter sein Auge wendet, er findet Freudenmädchen, die diesen Namen zurecht tragen. Zum einen sind sie eine Freude für das Auge und zum anderen haben sie Freude an ihrem Beruf. Es sind keine finanziellen Nöte, keine Arbeitslosigkeit, die zur Prostitution treiben, sondern der Drang, mit möglichst vielen Männern zu schlafen – meist sind die Huren denn auch wohlgebildete Frauen von ehemals adeligem Stand, die einem ordentlichen Liebhaber (und welcher Held wäre das nicht?) auch gerne mal die Zeche erlassen, weil er sie so gut … lieb gehabt hat.

Wieder in der Realität: Die Enttäuschung ist verwunden, aber es bleibt die Entschlossenheit in Herz und Hose. Also versucht es unser junger Mann bei einem einschlägigen Freudenhaus. Gehen wir davon aus, er findet eine Dame – vermutlich aus dem Ostblock – die auf seine Wünsche eingeht. Nach kläglich versägtem Akt vertraut er nun natürlich darauf – immerhin hat er seinen letzten 50er für das neue Shadowrun-Regelwerk ausgegeben – dass die gute Frau ihm die Zahlung erlässt.

Erst  nach einer innigen Begegnung mit den Bikerboots des goldkettenbehangenen Freund der Dame sieht er ein, dass dem wohl doch nicht so ist.

Also: Wenn ihr nicht Nachts in Unterhosen über den Kiez torkeln wollt, so schwört ab vom Sex im Rollenspiel

PS: Man sollte meinen, wenn Damen an der Spielrunde teilnehmen, sollte sich das Verhalten ändern– weit gefehlt. Flugs werden Knechte und Freudenmänner eingeführt und weiter geht die wilde … Rollenspielerei.