Rezension: Schöne neue Welt

Aus der Reihe: Klassiker, die man angeblich gelesen oder gesehen haben muss (zu dem Thema und als Aufhänger für umfangreiche Flamewars: Citizen Cane, Der Pate, Apocalypse now und Cassablanca sind stinklangweilig, eignen sich nur als Zitatsteinbruch und sind völlig überschätzt, der Hofnarr hingegen ist echtes Gold) heute: Schöne neue Welt (Brave New World) von Aldous Huxley.

Vorweg Grüße an Svenja Wallbrecher, der das auf dem Flohmarkt erstandene Buch offenbar vorher gehörte – zumindest steht ihr Name vorne drin. Wenn du das hier liest, melde dich bei mir, dann schenke ich dir eines meiner Bücher 🙂

Schöne neue Welt reiht sich nahtlos in die Reihe der bekannten und im Schulunterricht totinterpretierten Dystopien wie 1984 oder Fahrenheit Dingensirgendkirchen (kann mir die Zahl nicht merken und bin zu faul, zu googlen) ein. Das Buch erschien 1932 und schildert eine Welt, in der Familien abgeschafft sind, Menschen in Reagenzgläsern und künstlichen Gebärmuttern herangezüchtet und schon dabei intellektuell und physiologisch auf eine bestimmte Schicht in der Gesellschaft hingezüchtet werden. Drogen und Dauerunterhaltungsprogramme machen sie gefügig und glücklich sein wird vorausgesetzt (hat da jemand „Bürger“ gesagt?).Bücher sind igitt, Bildung und kritische Gedanken ebenso, Konsum ist Weltreligion.

Das Buch, das der Übersetzer ebenso wagemutig wie erfolgreich aus England nach Deutschland verpflanzt, erzählt die Geschichte verschiedener Mitglieder dieser Gesellschaft, einige davon haben Schwierigkeiten, sich in dieses Idealbild einzufügen, andere werden praktisch gegen ihren Willen aus dieser „Idylle“ gerissen. Und dann gibt es da noch den Wilden aus einem unreglementierten Reservat, der als Attraktion eingeflogen wird.

Der Erzählstil des Buches ist an vielen Stellen überraschend modern und konkret, an anderen fühlt es sich doch eher wie ein Gleichnis an und die Sprache ist für das 2012er-Auge ein wenig schwergängig. Die geschilderte Gesellschaft mit verschiedenen sozialen Kasten, medialer Dauerberieselung mit dem Anspruchslosen und der dauernden Gier nach Sex kommt unangenehm nah an viel heran, mit dem wir uns heute herumschlagen müssen. Die Menschenzucht ist zum Glück noch nicht so weit gediehen, aber gerade im Licht moderner moralisch-ethischer Diskussionen über Frühtests während der Schwangerschaft steckt auch hier viel Gedankenpotenzial.

Das Ende des Buches ist recht defätistisch und abrupt und wirkt ein wenig, als wisse der Autor selbst nicht so recht, wie er aus der Nummer wieder rauskommt.

Kurzum: Wer das Buch in der Schule noch nicht gelesen hat und Dystopien generell verkraften kann, könnte zu diesem Klassiker greifen, ohne es zu bereuen. Ein Dan Brown ist sicher spannender, dafür aber in der Regel auch doppelt so dick und nicht halb so gedankenanregend 🙂 Ich habe es nicht bereut, das Ding gelesen zu haben, aber eine Fortsetzung hätte ich jetzt auch nicht gebraucht.

Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 3: Auf zum heiteren Drogenmissbrauch

Wir schreiben das Jahr 2001 und die Spaßbremse Wiesler schwingt sich zum Moralapostel auf:

Ich möchte heute mit der grabesschweren Stimme eines Autors, der weder trinkt noch raucht, auf eine zunehmende Unsitte in der weiten Welt des Rollenspiels hinweisen. Da sitzen junge Burschen beisammen, bei denen sich unter der Nase, ja vielleicht sogar unter dem Gürtel noch nicht der erste Flaum zeigt, Kinder, wenn man es fürsorglich ausdrücken möchte. Sie sitzen beisammen, auf den ersten Blick vereint im kommunikativ und sozial fördernden Rollenspiel – oh unschuldige Spiele der Jugend. Doch dann offenbart sich das Laster in all seinen Untiefen!

Der Krieger besäuft sich, der Zwerg pafft Knaster, der Dieb schluckt Rauschbeeren. Diese Jugendlichen, deren jungfräulichen Geschmacksknospen (hoffentlich) noch nicht vom Rauch einer Zigarette geschändet oder vom profanen Beigeschmack des Im-Unterhemd-auf-Couch-und-arbeitslos jeden Bieres beleidigt wurden, haben nichts Eiligeres zu tun, als sich bei jeder Rast in den Schilderungen ihrer Drogen-Exzesse zu übertreffen. Kein Jäger Cthulhus ohne Kippe im Hals, kein Werwolf ohne Haschpfeife, kein Runner ohne Heroinspritze.

Aber gut – lassen wir die Zweifelhaftigkeit der Situation außer acht, um nicht Wasser auf die Mühlen erzkatholischer Rollenspielhasser zu gießen. Wenden wir uns den rollenspielerischen Folgen zu.

Da liegen sie also nun um das Lagerfeuer, die tapferen Junkies. Der Krieger besoffen, der Zwerg bekifft und der Dieb stoned. Plötzlich bricht eine Horde Orks aus den Gebüschen und versucht ihrem Tagewerk nachzugehen, was in diesem Fall bedeuten würde, die Helden aufzuschlitzen und mit ihrer Ausrüstung zu entschwinden – von irgendwas muss man ja leben.

Die Spieler überschlagen sich, jeder will der erste sein, der zum Morden antritt. Betrunken? Ach was, doch nicht von den paar Bier. Bekifft? Das war doch nur normaler Tabak! Stoned? Von Preiselbeeren?

Wie von Götterhand sollen sich die diversen Nervengifte aufgelöst haben, ihr Einfluss abgeglitten sein wie Hautcreme von der Haut eines Zwergen. Wenn das im wirklichen Leben mal so einfach wäre.

„Was, Herr Wachtmeister? Getrunken? Ich? Aber Herr Oberkriminalkomissar, ich doch nicht! Moment, Herr Polizeipräsident, ich muss nur mal schnell meine Orks aus dem Kofferraum holen!“

Aber selbst wenn kein Schreck die Helden ernüchtert, so wollen die Spieler doch auch am nächsten Morgen nicht mit Dingen wie Kopfweh oder Übelkeit geplagt werden. Wozu hat man schließlich wertvolle Steigerungen auf den Wert Zechen verschwendet? Doch nur, um vom Spielleiter endlich mit solchen Nichtigkeiten verschont zu werden!

In Anlehnung an ein bekanntes Zitat, möchte ich schließen mit: Nicht Drogen bringen Menschen um, sondern… ähm… sondern zu viele Drogen!

Rezension: Die zerbrochene Puppe

Mein Ausflüge in den Steampunk als Leser sind bisher nicht allzu vielzählig gewesen, was unter anderem damit zusammenhing, dass die wenigen Werke, für die ich mir Zeit genommen hatte, entweder twilighteske Zuckerromanzen mit ein paar eingestreuten Zahnrädern, moralinsaure Technokritiken oder schlichtweg „08/15, aber jetzt mit Luftschiffen“ waren. Das Buch, dass mir aus dem Genre bisher am besten gefallen hat, war Das mechanische Herz, das ich hier besprochen habe.

Ich bin sicher, es gibt sehr viele Beispiele von Steampunkromanen, die auch mir gefalllen würden, aber die sind mir eben bisher noch nicht untergekommen. Die zerbrochene Puppe hatte den unfairen Vorteil, dass sie von einer Kollegin, die ich sehr schätze, und ihrem Mann, den ich ebenfalls sehr schätze, aber nicht ganz so attraktiv finde, geschrieben wurde: Judith C. und Christian Vogt zeichnen für diesen Roman verantwortlich.

Und was soll ich sagen: Ich habe einen neuen Liebling in Sachen Steampunk. Judith und Christian schaffen es, eine originelle Geschichte über einen Künstler zu erzählen, der im Schatten seiner genialen Frau steht. Diese Frau schickt sich an, nicht weniger zu schaffen, als die Geschichte der Stromerzeugung zu revolutionieren. Entsprechend gefragt ist sie in den Industriellen-Kreisen des 19. Jahrhunderts. Eines frostigen 19. Jahrhunderts übrigens, das mit dem uns bekannten wenig gemein hat, wie es sich für Steampunk gehört.

Die Vogts ziehen aber mit ihrer alternativen Historie ganz neue Register, denn wer hätte bislang von friesischen Luftschiffpiraten oder Städten auf Eisbergen an norwegischen Küsten gehört? Ich will über den Inhalt nicht zuviel verraten, aber das überaus begabte Autorenpaar schafft es, eine sympatische Hauptfigur auf natürlich scheinende Weise über sich hinauswachsen zu lassen, der Humor und sogar die Erotik kommen nicht zu kurz und es gibt Luftschiffkampfszenen, bei denen sich Rocketeer mehr als eine Scheibe abschneiden könnte.

Eine spannende, phantastische Geschichte mit Automaten, Aristokratie und aberwitzigen Aeronauten. Kaufen, lesen, noch ein paar mal kaufen, zu Weihnachten verschenken lautet meine Empfehlung!

Und ja, ich weiß, ich finde bisher jedes Buch von Judith toll, das ich lese. Was soll ich machen? Sie schreibt halt einfach keine schlechten Bücher …

Hier noch der Klappentext, lasst euch von den seltsamen Schriftzeichen nicht abhalten …

Die Physikerin Æmelie von Erlenhofen stellt auf einer Konferenz in Venedig den Prototypen einer Brennstoffzelle vor. Kurz darauf dringen wandelnde Tote in ihre Unterkunft ein und töten die Wissenschaftlerin, der es gerade noch gelingt, ihrem Mann Naðan die Flucht zu ermöglichen. Das Letzte, was sie ihm mit auf den Weg gibt, ist ihre alte Porzellanpuppe, die von nun an Naðans beste Freundin wird, da sie mit der Stimme seiner verstorbenen Frau spricht. Die sterblichen Überreste Æmelies indes verschleppen die wandelnden Kadaver.
Die Polizei kann der Spur bis nach Æsta, einer schwimmenden Stadt auf einem Eisberg, folgen, wo sie sich verliert. Naðan beschließt, weiter nach Æmelies Leiche zu suchen. Mittellos fahndet er zwischen Gewerkschaftlern, Huren und Opiumsüchtigen nach dem Täter.
Eine Odyssee beginnt, in deren Verlauf Naðan zahlreiche Irrungen und Wirrungen durchleben muss, ehe er einem schrecklichen Geheimnis auf die Schliche kommt.

Schreibtipp – Spannungsbögen 1: Viele Fragen führen ans Ziel (Gastbeitrag)

Ich freue mich, euch heute einen Gastbeitrag präsentieren zu können. Jurenka Jurk hat sich bei mir gemeldet, und sich als Gastautorin angeboten. Herausgekommen ist folgende sehr schöne Grundlagenerklärung zum Thema Spannungsbögen. Wenn ihr auch einen Gastbeitrag schreiben wollt, meldet euch bei mir. Gerne auch mit Thesen, die meinen Auslassungen widersprechen, denn wie in jedem Handwerk führt auch beim Schreiben oft nicht nur ein Weg zum Ziel.

Spannende Romane fesseln den Leser. Aber was ist Spannung und wie kann sie ein Autor erzeugen?

Ich stelle mir ein Gummiband vor, das ich über zwei Finger lege. Je weiter ich diese auseinanderziehe, desto gespannter wird das Band. Auf den Leser übertragen benötigen wir also zwei Pole, zwischen denen er hin- und hergerissen ist. Den einen nenne ich „Hoffnung“ und den anderen „Erwartung“. Der Leser hofft, dass die Figur ihre Ziele erreicht. Zugleich bauen wir Autoren immer neue Hindernisse in die Geschichte ein, was den Leser erwarten lässt, dass der Hauptfigur das erwünschte Glück verwehrt bleibt. Wird sie es trotzdem schaffen?

Solche Fragen, die der Leser sich im Verlauf einer Geschichte (meist unbewusst) stellt, sind Spannungsbögen. Die Antworten darauf beenden die Bögen.

In der Unterhaltungsliteratur gibt es eine genretypische „Hauptfrage“. Sie treibt den ganzen Roman voran. Zum Beispiel: Wird Batman Gotham City retten? Finden die zwei Liebenden zueinander? Oder: Wird der Mörder hinter Gitter gebracht? Diese Hauptfragen werden früh aufgeworfen und erst am Schluss beantwortet. Dazwischen gibt es weitere Fragen (z. B.: Schafft Batman sein Hüftleiden rechtzeitig zu heilen?). Dabei haben die kleineren Spannungsbögen gewöhnlich immer etwas mit dem Hauptbogen zu tun.

Ausnahmen können Nebenhandlungen sein wie die Liebesgeschichte in einem Thriller. Aber im besten Fall sind auch sie eng mit der Haupthandlung verknüpft. Bleiben wir beim Film „The Dark Knight Rises“: Die Frau, mit der Batman ein paar schöne Stunden vorm Kamin verbringt, ist die eigentliche Rädelsführerin.

Damit ein Buch spannend bleibt, braucht es genügend offene Fragen. Als Autor muss man also darauf achten, nicht zu viele Spannungsbögen abzuschließen, ohne neue Fragen aufgeworfen zu haben. Und sobald der Hauptspannungsbogen beendet ist, sollten nur noch nebensächliche Fragen beantwortet werden. Sonst wirkt der Schluss nicht „erlösend“ – aber das hat der Leser (oder Zuschauer) sich nach stundenlanger Anspannung verdient.

Die ideale Verteilung von Spannungsbögen sieht also in etwa so aus:

Ein paar Worte noch zur Entspannung, denn sie ist ebenso wichtig. Der Mensch ist sehr anpassungsfähig. Ein Presslufthammer vor der Haustür ist zu Beginn eine Qual für unsere Ohren. Lärmt er die ganze Zeit, so gewöhnen wir uns an ihn und nehmen ihn kaum noch wahr. Wenn er aber gelegentlich verstummt, werden wir ihn immer wieder als nervend empfinden. Ähnlich verhält es sich mit der Spannung. Damit der Leser von der Geschichte gefesselt bleibt, braucht er Momente der Ruhe. Gönnt eurem Helden und euren Lesern also ein paar schöne Stunden vorm Kamin und verknüpft das später wieder mit dem Hauptspannungsbogen.

Jurenka Jurk

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Wie schreibe ich ein Buch? Anmeldefrist endet Samstag

Bis Samstag, den 15.12. habt ihr noch Gelegenheit, euch bei meinem Wochenendseminar zum Thema Wie schreibe ich ein Buch? im Januar anzumelden. Im Rahmen des dreitägigen Kurses beantworten wir gemeinsam Fragen wie die folgenden und sorgen dafür, dass Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen jede Menge Handwerkszeug und Motivation für das eigene Buch mitnehmen.

Übrigens auch ein ideales Weihnachtesgeschenk 😉

  • Wie komme ich auf Ideen und wie setze ich sie um?
  • Kann man vom Schreiben leben, und wenn ja, wie gut?
  • Wie plane ich ein Buch?
  • Wie bleibe ich dabei, bis es fertig ist?
  • Wie muss mein Manuskript aussehen?
  • Was ist ein Exposé?
  • Wie geht es in der Verlagslandschaft wirklich zu?
  • Was macht ein Lektor, was macht er nicht?
  • Brauche ich einen Agenten?
  • Was ist ein Spannungsbogen und wie baue ich ihn auf?
  • Wie schreibe ich gute Figuren? Dialoge? Beschreibungen?
  • Welche rechtlichen Fallstricke muss ich beachten?
  • Mein Buch ist erschienen, was nun?
  • Muss ein Autor eine Facebookseite haben?

Benefiz war ein voller Erfolg

Sehr, sehr schön war es gestern im katholischen Stadthaus. Dort bin ich mit AkuaK aufgetreten und wir haben mit Eintrittsgeldern und Spenden fast 500 Euro für den Kinderhospizdienst zusammenbekommen. Vielen, vielen Dank an alle, die da waren und von mir speziell für eure Begeisterung. Es hat einen Riesenspaß gemacht. Danke auch nochmal an Silke Kirchmann, die das alles möglich gemacht hat.

Und wenn ich durchs Fenster nach draußen schaue, bin ich grad sehr froh, dass die Veranstaltung gestern war und nicht heute ist, denn in Wuppertal siehts aus wie in Sibirien und das Haus gegenüber verschwindet im Schneegestöber.

Das wird euch aber hoffentlich morgen nicht davon abhalten, zu versaute Weihnachten zu kommen. Wir heizen euch da auch so richtig ein, versprochen!

Aus dem Archiv – Rollenspielkolumne 2: Alea (fast) jacta est

Erneut öffnet sich ächzend die staubbedeckte Archivkiste und spuckt eine weitere Kolumne aus dem Jahr 2001 aus. Und nein, ich weiß auch nicht, warum mein früheres Ich so verbittert war – vermutlich ist es einmal zu oft gezwungen worden, Vampire-Live zu spielen.

Spielleiter sein kann eine schwere Last sein. Sicher, man kann ungestraft seinen Sadismus an den sich windenden, jammernden Spielern auslassen, aber gerade das birgt manche Gefahren. Es ist wie bei der Tierdressur: Zuckerbrot und Peitsche. Benutzt man die Peitsche zu oft, werden die Löwen stinkig und früher oder später kommt einer auf die Idee: „Er kann nur einen von uns erschießen, bevor er tot ist!“

Lässt man hingegen die Leine zu lang und übertreibt es mit dem Zuckerbrot, werden die Löwen fett und keiner will Fellklumpen sehen, die kurzatmig auf Podesten hocken.

Nun sind zwar die meisten Rollenspieler vom langen Herumsitzen und Chips futtern bereits deutlich übergewichtig (oder sind sie vorher schon übergewichtig und werden darum Rollenspieler? Das sind soziokulturelle Vorgänge, die es wert wären, beleuchtet zu werden – aber nicht heute), aber wir wollen die Metapher auch nicht zu sehr strapazieren.

Ein guter Spielleiter beachtet folgende grundlegenden Prinzipien:

1) Niemals offen würfeln!

Kein Spielleiter, der was auf sich hält, würfelt offen. Auch wenn der gute alte Sichtschirm aus der Mode gekommen ist, hauptsächlich wegen der hässlichen Zweiteilung, die er im Sommer beim Draußen spielen dem Gesicht verpasst (oben braun, unten käsig), hat dieser Punkt bestand. Man sollte zumindest einen Würfelbecher sein eigen nennen und darüber hinaus eine große Hand, die man davor halten kann (im Falle von zu klein geratenen Patscherchen bieten sich die „#1“ Riesen-Schaumstoff-Hände an, die man vorrangig bei Eishockeyspielen erstehen kann).

Der Grund für diese Geheimniskrämerei ist einfach: der Zufall macht auch vor dem Spielleiter nicht halt. Zwar ist es ausgesprochen unterhaltsam, wenn der mit einer Hand an der Dachrinne hängende Charakter patzt und auf den Asphalt knallt. Wenn dann aber der offen gewürfelte Schaden ihn umbringt, ist das doof. Die Gefühle des Spielers sind da natürlich unerheblich – nach ein paar Stunden schreien und heulen kriegen die sich meist wieder ein … ein paar Ohrfeigen können helfen – aber die ganze Arbeit für den Spielleiter! Ein neuer Charakter muss gemacht werden, was bei den meisten Systemen ungefähr eine Woche zu je 8 Stunden am Tag dauert. Dann muss eine Prelude gespielt werden, neue NSCs erfunden, neue Feinde, Gemeinheiten, speziell auf diesen Charakter zugeschnittene Naturkatastrophen, Götter, die nur existieren, um dem Charakter das Leben schwer zu machen usw. Ein ellenlanger Rattenschwanz an Arbeit, und das nur, weil der Spielleiter keine Verhütung – sprich Würfelbecher – benutzt hat. Außerdem gibt es nichts Ärgerlicheres, als wenn der sorgfältig geplante Showdown platzt, weil der Bösewicht auf der Treppe patzt und wie Buster Keaton herunterrasselt. Oder im Kampf fortwährend danebenschlägt, nur weil die Spieler ausnahmsweise mal gut würfeln. Da ist schnell mal aus der 2 eine 20 gemacht: „Hoppla, kritischer Treffer! Du kriegst … wie viele TP hast Du noch? Sieben? Du kriegst 6 ¾ Punkte Schaden“ (die Arbeit… ihr wisst ja!).

2) Niemals den Spielern recht geben.

Gerade wenn die Spieler sich besser an den letzten Abend erinnern als man selber, wenn sie sich seitenweise Notizen gemacht haben und alle die gleiche Version des bisherigen Abenteuers wiedergeben, sollte man als SL einem Punkt vehement widersprechen. Das muss nicht der wichtigste Plotpoint des Abends sein, aber es sollte ein bemerkbarer sein. Das verunsichert sie! Etwas so:
Spieler: „Und dann sind wir in die Schenke gegangen und hatten Suppe.“
SL: „Nein, dass stimmt nicht ganz!“
Spieler: „Äh… (blättert in seinen Notizen) doch! Genauso war’s, oder Jungs?“
Andere Spieler: *zustimmendes Gemurmel*
SL: „Nein, ihr hattet Schinkenbrote!“
Spieler: „Tatsächlich?“
Andere Spieler: *kopfschütteln*
SL: *nicken*
Spieler: „Ist das wichtig?“
SL: „Wer weiß?“

Und damit kommen wir zu Punkt 3:

3) Niemals eine eindeutige Aussage machen.

Der Spielleiter sollte sich niemals zu eindeutigen Aussagen hinreißen lassen. Zum einen beschneidet das unnötig die Phantasie der Spieler und zum anderen muss man sich sonst zuviel merken. Einige Beispiele:
Spieler: „Wie weit ist denn das Monster noch weg?“
SL: „Och, ein ganzes Stück!“
Spieler: „Dann spanne ich jetzt meinen Bogen und lege einen Pfeil ein, ziele sorgfältig und schieße dann!“
SL: „Das dauert drei Runden, also darf dich das Monster sechsmal angreifen!“
Spieler: „Ich denke, es ist noch ein ganzes Stück weg?!“
SL: „Ja schon, so fünf oder sechs Meter halt! Jetzt würfel Stamina!“

Unterpunkt 3.1: Eine Frage immer nach Möglichkeit mit einer Gegenfrage beantworten.
Spieler: (dreht das Handout) „Also steht dieses Zeichen für Tod?“
SL: „Wenn Du das denkst?“
Spieler: „Oder für Leben?“
SL: „Sieht es denn so aus?“
Spieler: „Oder ist es das Zeichen für Elemente?“
SL: „Ist das denn nicht offensichtlich?“
Spieler: „Jetzt sag doch mal!“
SL: „Sollte ich das?“
Spieler: „Ach, scheißt der Ork drauf! Ich geh durch!“
SL: „Das macht dann 4672 Punkte Lavaschaden!“

4) Sei großzügig in kleinen Dingen und mies in Großen

Spieler merken es, wenn man sie fortwährend verarscht, niedermacht und ungerecht behandelt. Wenn man sich anschaut, wie lange sie brauchen, um selbst die einfachsten Rätsel zu lösen, erstaunt es einen, aber das tun sie wirklich. Also muss man ihnen immer mal wieder kleine Brosamen zuwerfen, damit sie unter dem spielleitereigenen Tisch hocken bleiben! Das erreicht man am besten, indem man ihnen Kleinigkeiten erlaubt.

„Ein Schwert +1? Kein Problem, kriegst Du! Und in der Truhe liegt auch eine Feuerballrolle der Stufe 342!“

Man erhält spätestens in der nächsten großen Szene eine Gelegenheit, sich die Genugtuung des Spielleitens wiederzuholen: „Tja, so ein Pech! Leider ist das Monster durch Feuer nicht zu verletzen und hat einen Rüstungsschutz von (ursprünglicher Wert +1)!“

5) Reiche diese Richtlinien niemals an Deine Spieler weiter!

Es wäre fatal, wenn sie die weltweite Verschwörung sadistischer Spielleiter und Spielleiterinnen durchschauen würden. Wir müssten dann bald wieder zum viel anstrengenderen Kinderauspeitschen übergehen, um unsere perversen Gelüste zu stillen!

 

 

 

Es wird weiter automatisiert …

Als nächster Kandidat ist das hier dran: IFTTT. Das steht für „If this then that“ und erlaubt es angeblich u.a. hochgeladene Youtube-Videos automatisch hier zu posten, von wo sie dann automatisch auf Facebook wandern und bei Twitter verlinkt werden sollen. Wir werden sehen – in wenigen Stunden ist das Test-Video hochgeladen. Die Spannung steigt … *gähn*

Preisgekrönt und Interviewt – Die Wieslers

Mann, was für ein Egoboost. Gerade habe ich Uli Land verabschiedet, der mich für die WDR3-Sendung Mosaik befragt hat und Texte hat einlesen lassen. Die Reportage über den Slam-Poeten Wiesler läuft zwischen den Jahren. Ich halte euch auf dem Laufenden, wann und wo genau.

Außerdem sind meine Frau Janina und ich vor kurzem für unser Kultur-und-Schule-Projekt „Geschichten in Wort und Bild“ mit dem Preis „Kultur prägt!“ ausgezeichnet worden. Leider war Janina bei der Preisverleihung verhindert, so dass ich Blumen und Urkunde alleine abholen musste (siehe Fotobeweis).

Zur Feier des Tages habe ich gerade den Katalog zum Projekt online gestellt.